Die Fastenzeit ist eine Zeit des geistlichen Kampfes. Vierzig Tage lang ruft uns die Kirche zur Umkehr auf, in Nachahmung der vierzig Tage, die Jesus in der Wüste verbrachte, bevor er sein öffentliches Wirken begann (vgl. Mt 4,1-11). Auf diesem Weg der Vorbereitung auf Ostern gibt uns die christliche Tradition drei grundlegende geistliche Waffen: das Fasten, das Gebet und das Almosengeben. Diese sind nicht bloß fromme Übungen, sondern wirkliche Werkzeuge zur inneren Umwandlung, die uns helfen, die Sünde zu überwinden und Gott näherzukommen.
In diesem Artikel werden wir die tiefere Bedeutung dieser drei Praktiken, ihre biblischen und theologischen Grundlagen sowie ihre Anwendung im Alltag erkunden, um die Fastenzeit authentisch und fruchtbar zu leben.
1. Fasten: Den Körper beherrschen, um die Seele zu befreien
Das Fasten ist seit jeher Teil der Heilsgeschichte. Mose fastete vierzig Tage auf dem Berg Sinai, bevor er das Gesetz empfing (vgl. Ex 34,28), und auch Jesus selbst fastete in der Wüste als Vorbereitung auf seine Mission. Die Kirche fordert uns insbesondere am Aschermittwoch und Karfreitag zum Fasten auf, lädt uns aber auch dazu ein, diese Praxis während der gesamten Fastenzeit als Mittel der Buße und Herzreinigung zu pflegen.
Die theologische Bedeutung des Fastens
Das Fasten erinnert uns daran, dass „der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4). Der Verzicht auf Nahrung oder andere Annehmlichkeiten ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um unseren Willen zu stärken und unsere Sehnsüchte auf Gott auszurichten. Fasten hilft uns, uns vom Überflüssigen zu lösen, unsere Absichten zu reinigen und in der Tugend der Mäßigung zu wachsen.
Darüber hinaus hat das Fasten einen sühnenden Charakter. In der Bibel fastete das Volk Gottes in Zeiten der Krise und der Umkehr als Zeichen der Demut und Reue. Heute kann das Fasten ein Akt der Wiedergutmachung für unsere eigenen Sünden und die der Welt sein.
Praktische Anwendungen des Fastens
Fasten bedeutet nicht nur den Verzicht auf Nahrung, sondern die Übung der Selbstbeherrschung in allen Lebensbereichen:
- Reduzierung des Konsums sozialer Medien und Unterhaltung, um mehr Zeit dem Gebet zu widmen.
- Fasten von Kritik, Klatsch und negativen Worten.
- Verzicht auf bestimmte legitime Genüsse (Süßigkeiten, Kaffee, Fernsehen) und das Aufopfern dieses Verzichts für eine besondere Absicht.
Echtes Fasten leert uns von uns selbst, damit Gott uns mit seiner Gnade erfüllen kann.
2. Gebet: Die Verbindung mit Gott, die alles verwandelt
Das Gebet ist die Seele der Fastenzeit. Ohne Gebet wird das Fasten zur bloßen Diät und das Almosengeben zur bloßen Wohltätigkeit ohne übernatürliche Zielsetzung. Beten bedeutet, in den Dialog mit Gott zu treten, unser Herz für ihn zu öffnen und uns von seiner Gegenwart verwandeln zu lassen.
Die theologische Bedeutung des Gebets
Jesus selbst hat uns das Gebet gelehrt und uns ein Beispiel für ein Leben in ständiger Gemeinschaft mit dem Vater gegeben. In Getsemani, in der schwersten Stunde seines Lebens, betete Jesus mit Intensität und Vertrauen (vgl. Lk 22,39-46). Wenn der Sohn Gottes das Gebet brauchte, wie viel mehr brauchen wir es!
Das Gebet stärkt uns gegen Versuchungen und hilft uns, den Willen Gottes zu erkennen. Außerdem ist das Gebet ein Akt der Liebe: Je mehr Zeit wir mit jemandem verbringen, den wir lieben, desto mehr werden wir ihm ähnlich. Ebenso wird unsere Seele verwandelt, wenn wir in Gottes Gegenwart sind.
Praktische Anwendungen des Gebets
Um das Gebet in der Fastenzeit in den Mittelpunkt zu stellen, können wir:
- Eine feste Zeit am Tag für das persönliche Gebet reservieren.
- Über das Tagesevangelium meditieren und den Heiligen Geist um Führung bitten.
- Den Heiligen Rosenkranz beten, eine mächtige Waffe gegen das Böse.
- Die eucharistische Anbetung praktizieren und Zeit in der Gegenwart Jesu im Allerheiligsten verbringen.
- Kleine Opfer im Gebetssinn bringen und sie mit dem Kreuz Christi vereinen.
Der Schlüssel liegt darin, das Gebet zur Gewohnheit zu machen und nicht nur gelegentlich darauf zurückzugreifen. Je mehr wir beten, desto mehr öffnen wir uns dem Wirken Gottes in unserem Leben.
3. Almosengeben: Die Nächstenliebe, die uns Christus ähnlich macht
Das Almosengeben ist die soziale Dimension der Fastenzeit. Wir können Gott nicht lieben, ohne unseren Nächsten zu lieben, und die beste Möglichkeit, diese Liebe zu zeigen, ist das Teilen unserer Güter mit den Bedürftigen.
Die theologische Bedeutung des Almosengebens
Jesus lehrt uns, dass alles, was wir für die Geringsten unserer Brüder tun, wir für ihn tun (vgl. Mt 25,40). Almosengeben ist nicht nur ein Akt der Großzügigkeit, sondern ein konkreter Ausdruck unseres Glaubens. Indem wir geben, erkennen wir an, dass alles, was wir besitzen, ein Geschenk Gottes ist, und wir lernen, uns von Reichtümern zu lösen, die uns versklaven können.
Der heilige Johannes Chrysostomos sagte: „Nicht Almosen zu geben bedeutet, den Armen zu bestehlen und ihnen das Leben zu nehmen.“ Das ist eine starke, aber wahre Aussage: Wenn wir helfen können und es nicht tun, verweigern wir Christus in den Bedürftigen unsere Hilfe.
Praktische Anwendungen des Almosengebens
Neben der Geldspende gibt es viele Möglichkeiten, in der Fastenzeit Almosen zu geben:
- Einen kranken oder einsamen älteren Menschen besuchen.
- Jemandem zuhören und ihn in einer schwierigen Zeit begleiten.
- Sich ehrenamtlich in einer karitativen Organisation engagieren.
- Jemandem vergeben, der uns Unrecht getan hat, denn Vergebung ist auch eine Form des Almosengebens.
Wichtig ist, dass unser Almosengeben aus Liebe geschieht und nicht nur aus Pflichtgefühl.
Fazit: Ein Kampf, der uns auf den Sieg vorbereitet
Die Fastenzeit ist eine Zeit der Gnade, aber auch des geistlichen Kampfes. Satan wird versuchen, uns abzulenken und uns vom Fasten, Gebet und Almosengeben abzuhalten, doch wenn wir in diesen geistlichen Waffen verharren, werden wir gestärkt daraus hervorgehen.
Ostern ist der Sieg Christi über Sünde und Tod, und jeder von uns ist berufen, an diesem Sieg teilzuhaben. Fasten wir, um unsere Seele zu reinigen, beten wir, um unseren Geist zu stärken, und geben wir Almosen, um unser Herz zu weiten.
Möge uns diese Fastenzeit Gott näherbringen und uns großzügiger machen, damit wir mit dem heiligen Paulus sagen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt“ (2 Tim 4,7).
Möge der Herr uns die Gnade schenken, diese heilige Zeit mit wahrer Hingabe und Freude zu leben!