Im Herzen der Heiligen Messe, umgeben von der Fülle an Zeichen, Gesten und Worten der Liturgie, gibt es Momente, in denen die Stimme des Priesters mit besonderer Autorität erklingt. Dies sind die Präsidialgebete, jene heiligen Texte, die der Zelebrant im Namen der gesamten Kirche spricht. Oft werden sie von den Gläubigen kaum wahrgenommen, doch sie bergen eine tiefe theologische und spirituelle Bedeutung.
In diesem Artikel werden wir den Ursprung, die Geschichte und die aktuelle Bedeutung dieser Gebete erkunden. Warum sind sie so wichtig? Wie helfen sie uns, unseren Glauben tiefer zu leben? Begleiten Sie mich auf dieser Reise in das Herz des liturgischen Gebets der Kirche.
Was sind die Präsidialgebete?
Die Präsidialgebete sind jene Gebete, die der Priester als Vorsitzender der liturgischen Versammlung im Namen der gesamten Gemeinde spricht. Sie sind kollektiv, was bedeutet, dass sie nicht die persönlichen Worte des Zelebranten sind, sondern das Flehen und Lob der gesamten versammelten Kirche ausdrücken.
Die wichtigsten Präsidialgebete in der Messe sind:
- Das Tagesgebet (Collecta) (am Beginn der Messe).
- Das Gabengebet (vor dem Präfationsgesang).
- Das Schlussgebet nach der Kommunion (nach der Kommunion).
Jedes dieser Gebete hat eine spezifische Struktur und eine besondere Funktion im Ablauf der Feier.
Biblische und historische Wurzeln
Die Präsidialgebete haben ihren Ursprung in der Heiligen Schrift und der apostolischen Tradition. Schon in den ersten christlichen Gemeinden versammelte man sich um den Tisch des Herrn und betete in einer Struktur, die aus dem Judentum übernommen wurde.
Biblische Inspiration
Das liturgische Gebet der Kirche hat seine Wurzeln im Gebet Israels. In den Psalmen finden wir Ausdrücke von Flehen, Lobpreis und Dank, die später das christliche Gebet prägten. Jesus selbst betete im Tempel und in der Synagoge und folgte so der Tradition seines Volkes.
Auch in den Briefen des heiligen Paulus finden wir Aufforderungen zum gemeinschaftlichen Gebet:
„Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung für alle Menschen auf, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben“ (1 Timotheus 2,1-2).
Bereits im 2. Jahrhundert erwähnen die Schriften des heiligen Justin des Märtyrers (†165) Gebete, die vom Vorsteher der Eucharistiefeier gesprochen wurden – ein Zeichen dafür, dass die Struktur der Messe bereits fest etabliert war.
Entwicklung in der liturgischen Tradition
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich die Form der Präsidialgebete weiter. In den ersten Jahrhunderten waren sie spontan, folgten aber einer festen Struktur. Nach und nach wurden mit der Weiterentwicklung der Liturgie Gebetsformeln festgelegt, um den Glauben der Kirche auszudrücken und die lehrmäßige Einheit zu bewahren.
Mit der Festigung des römischen Ritus im Mittelalter wurden diese Gebete in den Sakramentarien, wie dem Gelasianischen und Gregorianischen Sakramentar, festgehalten, die den Wortlaut der Gebete im heutigen Römischen Messbuch beeinflussten.
Die spirituelle Bedeutung der einzelnen Präsidialgebete
Jedes dieser Gebete hat eine spezifische Funktion in der Struktur der Messe. Sehen wir uns ihre Bedeutung an und wie wir sie besser erleben können.
1. Das Tagesgebet (Collecta): Das Volk Gottes erhebt seine Stimme
Das Wort „Collecta“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Versammlung“. Es ist das erste große Gebet des Priesters in der Messe, nach dem Eröffnungsgruß und dem Schuldbekenntnis.
Der Priester fordert die Gemeinde mit den Worten „Lasst uns beten“ auf, gefolgt von einer kurzen Stille, in der jeder Gläubige seine persönlichen Anliegen im Herzen vor Gott bringt. Dann spricht der Priester das Gebet im Namen aller.
Dieses Gebet hat eine klare Struktur:
- Anrufung Gottes des Vaters.
- Erwähnung einer Glaubenswahrheit oder einer konkreten Bitte.
- Christologische Schlussformel („Durch unseren Herrn Jesus Christus…“).
2. Das Gabengebet: Unsere Gaben darbringen
Vor dem Präfationsgesang betet der Priester über die Gaben, die in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden. Dieses Gebet bezieht sich nicht nur auf Brot und Wein, sondern auch auf unser ganzes Leben, das wir dem Herrn darbringen.
In diesem Moment ist es wichtig, dass jeder Gläubige sich geistlich mit seiner eigenen Existenz auf dem Altar einbringt: unsere Mühen, Opfer, Freuden und Leiden können mit dem Brot und Wein dargebracht werden.
3. Das Schlussgebet nach der Kommunion: Dank und letzte Bitte
Nach der Kommunion hilft uns dieses Gebet, das Empfangene geistlich zu sammeln. Es ist nicht nur ein liturgischer Abschluss, sondern eine Bitte, dass die Früchte des Sakraments in unserem Leben bestehen bleiben.
Der heilige Augustinus sagte, wir werden, was wir empfangen. Die Eucharistie ist nicht nur ein Ritus, sondern sie verwandelt uns in Christus. Dieses Gebet erinnert uns daran, dass wir die eucharistische Gnade in unseren Alltag tragen müssen.
Ein liturgisches Detail: Die Gesten und die Stimme des Priesters
Die Präsidialgebete unterscheiden sich nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre Art der Verkündigung.
- Der Priester spricht sie laut im Namen der ganzen Gemeinde.
- Er breitet die Hände in der „Orantenhaltung“ aus, ein Zeichen der Fürbitte (eine Geste, die in den Katakomben und Fresken der frühen Christen zu sehen ist).
Diese Geste hat biblische Wurzeln, wie wir bei Mose im Buch Exodus 17,11 sehen:
„Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel siegreich; sobald er aber seine Hand sinken ließ, war Amalek siegreich.“
Diese Geste drückt die Autorität des Priesters aus, der in persona Christi handelt, also in der Person Christi, und für das Volk Gottes eintritt.
Aktuelle Bedeutung: Warum ist das wichtig?
In einer Welt, in der das Gebet oft auf etwas Privates und Individuelles reduziert wird, erinnert uns die Liturgie daran, dass die Kirche mit einer einzigen Stimme betet. Die Präsidialgebete lehren uns, dass unser Glaube gemeinschaftlich ist und dass die Liturgie die Schule ist, in der wir lernen, mit der Kirche aller Zeiten zu beten.
Wenn wir an der Messe teilnehmen, sind wir keine bloßen Zuschauer, sondern aktive Mitbeter im Gebet der Kirche. Die aufmerksame Teilnahme an den Präsidialgebeten und die geistige Vereinigung mit ihnen hilft uns, tiefer in das Glaubensgeheimnis einzutreten.
Fazit: Mit der Kirche beten, mit Christus beten
Die Präsidialgebete sind ein Schatz der Liturgie, denn sie lehren uns, mit der Stimme der Kirche zu beten, und erinnern uns daran, dass Christus selbst für uns beim Vater eintritt.
Mögen wir das nächste Mal in der Messe diese Gebete bewusster hören, sie unser Herz formen lassen und uns tiefer mit Gott und unseren Glaubensgeschwistern verbinden.
„Herr, lehre uns beten“ (Lukas 11,1).