Das längste Konklave der Geschichte: Geduld, Tod und göttliche Vorsehung

Im Leben der katholischen Kirche gibt es nur wenige Ereignisse, die so geheimnisvoll und entscheidend sind wie das Konklave – die feierliche Versammlung der Kardinäle zur Wahl des neuen Papstes. Von allen verzeichneten Konklaven ragt eines besonders heraus: das Konklave von Viterbo (1268-1271), das mit zwei Jahren, neun Monaten und zwei Tagen das längste der Geschichte war. Es beeindruckt nicht nur durch seine außergewöhnliche Dauer und menschliche Dramatik, sondern vor allem durch die tiefen geistlichen Lehren, die es hinterlassen hat.

Dieses Ereignis ist nicht bloß eine historische Kuriosität, sondern ein Spiegel, in dem wir uns heute betrachten können – in einer Zeit, die von Hektik, Polarisierung und mangelnder Unterscheidungsfähigkeit geprägt ist. Was lehrt uns dieses Konklave über Geduld, Gottvertrauen und den wahren Sinn geistlicher Führung?

I. Der historische Kontext: Eine Kirche in der Krise

Um die Bedeutung dieses Ereignisses zu verstehen, müssen wir uns ins 13. Jahrhundert versetzen. Europa war zerrissen von Machtkämpfen zwischen Papsttum und Heiligem Römischen Reich. Der Tod von Papst Clemens IV. (1268) ließ die Kirche in ein Machtvakuum zurück, während die Fraktionen im Kardinalskollegium zutiefst gespalten waren.

Die in Viterbo (Italien) versammelten Kardinäle konnten die erforderliche Zweidrittelmehrheit für einen Nachfolger nicht erreichen. Die Spannungen waren so groß, dass nicht einmal die Vermittlung des anwesenden Heiligen Bonaventura einen Konsens herbeiführen konnte.

Die verzweifelte Maßnahme: Erzwungener Einschluss

Die Bürger von Viterbo, von der Verzögerung zunehmend verärgert, ergriffen eine radikale Maßnahme: Sie schlossen die Kardinäle unter Verschluss ein (lateinisch „cum clave“, daher der Begriff „Konklave“) und reduzierten ihre Nahrungsrationen, um sie unter Druck zu setzen. Doch selbst dies führte nicht zur Wahl.

Schließlich ließ der Podestà (Stadtvorsteher) Raniero Gatti den Palast, in dem sie untergebracht waren, abdecken, sodass sie den Unbilden der Witterung ausgesetzt waren. Erst nach fast drei Jahren wählten die Kardinäle Gregor X. – einen Mann, der nicht einmal Kardinal war, aber dessen Tugendhaftigkeit und Fähigkeit zur Einigung unbestritten waren.

Starben Kardinäle während des längsten Konklaves der Geschichte?

  1. Sterblichkeit unter den Wählern
    • Von den 20 Kardinälen, die das Konklave begannen, starben mindestens drei während der fast dreijährigen Beratungen.
    • Die Ursachen sind nicht ganz klar, werden aber folgenden Faktoren zugeschrieben:
      • Hohes Alter (viele Kardinäle waren betagt)
      • Die harten Bedingungen des Einschlusses (Kälte, mangelnde Hygiene, reduzierte Rationen nach der Abdeckung des Palastes)
      • Stress und interne Spaltungen, die ihre Gesundheit schwächten
  2. Eine schockierende Tatsache: Ein ermordeter Kardinal?
    • Historischen Überlieferungen (nicht dokumentarisch belegt, aber in mittelalterlichen Chroniken erwähnt) zufolge soll Kardinal Ottobono Fieschi (der spätere Hadrian V.) von rivalisierenden Fraktionen vergiftet worden sein.
    • Sicher ist, dass er nach seiner Wahl 1276 (in einem anderen Konklave) nur 39 Tage regierte, was Verschwörungstheorien nährte.
  3. Das göttliche Eingreifen: Strafe oder Läuterung?
    • Zeitgenossen deuteten diese Todesfälle als Gottesurteil für die Sturheit der Kardinäle.
    • Der anwesende Heilige Bonaventura warnte: „Zwietracht unter euch bringt Unordnung, und Unordnung bringt den Tod.“

Theologische Betrachtung: Warum ließ Gott dies zu?

  1. Lektion in Demut
    • Der Tod mehrerer Wähler zeigte, dass kirchliche Macht kein menschliches Spiel, sondern heiliger Dienst ist. Wie die Schrift sagt:„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Markus 9,35)
  2. Die Kirche überlebt ihre Krisen
    • Obwohl Kardinäle starben, bewahrte der Heilige Geist die Kirche durch die Wahl des Reformpapstes Gregor X.
  3. Aktuelle Bedeutung
    • In unserem Leben können „Tode“ (Misserfolge, Verluste) Werkzeuge Gottes sein, die uns neu ausrichten. Klammern wir uns an unseren Willen oder vertrauen wir der Vorsehung?

II. Theologische Relevanz: Warum dauerte es so lange?

Aus theologischer Sicht lehrt uns dieses Konklave drei grundlegende Wahrheiten:

  1. Die Papstwahl ist kein menschlicher Akt, sondern ein Werk des Heiligen Geistes
    Die Kirche ist keine Demokratie, in der Stimmen verhandelt werden. Wie Christus zu Petrus sagte:„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Matthäus 16,18)
    Der Heilige Geist führt die Kardinäle, aber er handelt zu seiner Zeit, nicht nach unserer. Menschliche Ungeduld kann den Prozess behindern.
  2. Läuterung kommt durch Warten
    Gott lässt lange, schwierige Prüfungen zu, um seine Kirche zu läutern. Das Konklave von Viterbo war ein geistlicher Exodus, bei dem die Kardinäle persönliche Interessen zurücklassen mussten, um Gottes Stimme zu hören.
  3. Demut ist wesentlich für Führung
    Gregor X. strebte nicht nach dem Papsttum; er wurde gerade deshalb gewählt, weil er nicht in Machtkämpfe verstrickt war. Seine Demut machte ihn geeignet.

III. Lehren für unser geistliches Leben

Wie können wir diese Lehren im täglichen Leben anwenden?

  1. Lernen, auf Gott zu warten
    Wir leben in einer Kultur der Sofortigkeit, aber der Glaube verlangt Geduld. Wenn Sie eine Phase der Trockenheit oder Ungewissheit durchleben, denken Sie daran: Gott hat eine perfekte Zeit.
  2. Spaltungen überwinden
    Die Kardinäle von Viterbo waren durch politische Loyalitäten gespalten. Heute streiten Katholiken oft über liturgische Vorlieben oder ideologische Positionen. Einheit im Wesentlichen ist entscheidend.
  3. Der Vorsehung vertrauen
    Gregor X. war kein „logischer“ Kandidat, aber Gott wählte ihn. Manchmal kommen Lösungen von dort, wo wir sie am wenigsten erwarten.

IV. Reformen aus diesem Konklave

Gregor X. führte auf dem Zweiten Konzil von Lyon (1274) strenge Regeln für künftige Konklaven ein:

  • Völlige Abschottung der Kardinäle
  • Reduzierte Rationen bei längerer Dauer
  • Geheime Wahl, um äußeren Druck zu vermeiden

Diese Regeln gelten im Wesentlichen bis heute.

Schlussfolgerung: Was sagt uns dieses Konklave im 21. Jahrhundert?

Die Todesfälle in Viterbo waren nicht umsonst: Sie führten zu Reformen, die heute schnelle und geistliche Konklaven gewährleisten. Als Katholiken sollten wir bedenken:

  • Ungeduld hat Konsequenzen
  • Gott schreibt gerade auf krummen Zeilen

Das längste Konklave der Geschichte war kein Misserfolg, sondern ein Sieg des Glaubens über die Ungeduld. In einer Welt, die Geschwindigkeit vergöttert, erinnert uns die Kirche: Das Heilige darf nicht übereilt werden.

Wenn Sie heute vor einer schwierigen Entscheidung stehen, einer Wartezeit oder Spaltungen in Ihrer Gemeinschaft, denken Sie an Viterbo: Gott handelt, wenn der Mensch sich seinem Willen unterwirft. Wie der heilige Paulus schrieb:

„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt.“ (Römer 8,28)

Wenn Sie das nächste Mal meinen, Gott zögere, fragen Sie sich: Bin ich bereit für seine Antwort? Denn wie in Viterbo kommt das Beste oft… wenn wir es am wenigsten erwarten.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

Auch ansehen

Pfingsten in Rom: Feuerblüten über dem Pantheon

Einführung: Wenn der Himmel in Feuerblüten herabsteigt Jedes Jahr geschieht im Herzen Roms ein Wunder, …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: catholicus.eu