Das Geheimnis der schweigenden Glocken: Die Tradition, die Kirchen ab Gründonnerstag verstummen lässt

Während der Feierlichkeiten der Karwoche, wenn sich die Kirchen mit Gläubigen füllen, die das Leiden Christi gedenken, geschieht etwas Besonderes: Die Glocken schweigen vom Gründonnerstag bis zur Osternacht. Dieses Schweigen ist kein Zufall der Liturgie, sondern eine tiefsymbolische Tradition voller Spiritualität und Legenden.

Warum schweigen die Glocken in der Karwoche?

Nach katholischer Tradition verstummen die Glocken nach dem Gloria der Messe am Gründonnerstag und erklingen erst wieder zu Ostern. Stattdessen werden Ratschen, Klappern oder Holzschlegel verwendet, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen. Dies symbolisiert die Trauer der Kirche über den Tod Jesu und seine Abwesenheit in der Zeit zwischen Kreuzigung und Auferstehung.

Doch hinter diesem Brauch verbirgt sich auch eine volkstümliche Legende:

„Die Glocken fliegen nach Rom“

In vielen Regionen Europas und Lateinamerikas erzählt man sich, dass die Glocken „nach Rom fliegen“, um vom Papst gesegnet zu werden und am Karsamstag mit dem Weihwasser zurückzukehren, das für die Taufe in der Osternacht verwendet wird.

Obwohl nicht kirchlich gelehrt, wurde diese Vorstellung mündlich überliefert, um das Glockenschweigen im Triduum Sacrum (Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag) zu erklären. Kindern sagte man oft, „die Glocken trauern“ oder „Gott ist tot, deshalb läuten sie nicht“.

Der liturgische Ursprung des Glockenschweigens

Der Brauch, Holzinstrumente statt Glocken zu verwenden, hat alte Wurzeln:

  • Im Mittelalter galt das Glockenläuten als Freudenzeichen, daher markierte ihr Schweigen die Trauer um Christus.
  • Ratschen und Klappern mit ihrem scharfen Klang symbolisierten den Ruf der Menge „Kreuzige ihn!“.
  • Sie erinnerten auch an das Erdbeben und die Finsternis bei Jesu Tod (Matthäus 27,51).

In manchen Klöstern begleitet das „Tenebrae-Offizium“ dieses Schweigen, bei dem nach und nach alle Kerzen gelöscht werden.

Kuriose Bräuche rund um das Glockenschweigen

  • In Deutschland und Österreich zogen Kinder mit Ratschen durch die Straßen, um die Glocken zu „ersetzen“.
  • In Mexiko und Spanien bewahren einige Bruderschaften riesige Holzratschen für die Karfreitagsprozessionen.
  • In Italien bindet man rote Bänder an die Glocken, die für Christi Blut stehen.

Die Rückkehr der Glocken zu Ostern

Der bewegendste Moment kommt in der Osternacht: Nach dem Gloria-Gesang ertönen die Glocken wieder im vollen Klang – sie verkünden: Christus ist auferstanden! Dieser freudige Lärm kontrastiert mit der vorigen Stille und erinnert an den Sieg über den Tod.

Fazit: Eine Stille, die mehr sagt als tausend Worte

Das Glockenschweigen in der Karwoche ist eine dieser geheimnisvollen und wunderschönen Traditionen, die das Ostergeheimnis lebendig machen. Es ist nicht nur ein alter Brauch, sondern eine Erinnerung: In Gottes Schweigen verbirgt sich der größte Sieg – die Auferstehung.

Kannten Sie diese Tradition? Werden in Ihrer Gemeinde Ratschen verwendet oder gibt es lokale Legenden über die Glocken in der Karwoche? Teilen Sie Ihre Erfahrungen!

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Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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