Einführung: Was wäre, wenn die Kirche wieder so betete wie bei ihren Konzilien?
„Adsumus, Sancte Spiritus“ ist nicht einfach ein altes Gebet auf Latein. Es ist der Schrei der Seele der Kirche, eine demütige und kraftvolle Bitte, die die Kirchenväter in den entscheidendsten Momenten der Geschichte begleitet hat – bei den Konzilien.
Viele Katholiken haben dieses Gebet noch nie gehört. Andere haben es vielleicht gebetet, ohne zu wissen, dass sie damit eines der ältesten Gebete an die dritte Person der Dreifaltigkeit ausgesprochen haben. Und doch ist die Wahrheit: „Adsumus“ ist kein staubiges Relikt, sondern ein leuchtendes Juwel christlicher Spiritualität. Heute, in einer Welt voller Verwirrung, Lärm und geistlicher Oberflächlichkeit, ist dieses Gebet ein göttlicher Kompass, der uns hilft zu unterscheiden, zu handeln und in Gott zu leben.
Dieser Artikel lädt dich ein, dieses Gebet neu zu entdecken. Er zeigt dir seine Geschichte, seine theologische Tiefe und wie du es in deinem persönlichen Gebetsleben, im Dienst in der Kirche und im Alltag anwenden kannst.
I. Was ist das „Adsumus, Sancte Spiritus“?
Der Originaltext:
Adsumus, Sancte Spiritus,
qui ex adsumpto nobis nomine hic congregati sumus :
te solum adire contendimus,
te oramus ut adveniens in corda nostra digneris.
Dies ist der Anfang eines längeren Gebets, dessen bekannteste Fassung dem heiligen Isidor von Sevilla zugeschrieben wird. Es wurde offiziell beim Zweiten Vatikanischen Konzil verwendet, obwohl seine Wurzeln wahrscheinlich bis ins 9. Jahrhundert zurückreichen und es damals schon bei Synoden und Konzilien zum Einsatz kam.
„Adsumus“ bedeutet: „Hier sind wir.“ So beginnt dieses Gebet an den Heiligen Geist – mit einer Haltung völliger Verfügbarkeit, des Zuhörens, der Offenheit. Es ist die Haltung von Mose vor dem brennenden Dornbusch, von Samuel im Tempel, von Maria bei der Verkündigung. Sich vor Gott hinstellen, anerkennen, dass ohne ihn nichts Sinn hat.
II. Geschichte und liturgischer Gebrauch des Adsumus
Das Gebet „Adsumus, Sancte Spiritus“ wurde zum offiziellen Gebet der Konzilien und Synoden. Es wurde zu Beginn jeder Sitzung gebetet, um den Heiligen Geist um Licht, Einheit und Wahrheit zu bitten.
Gebrauch beim Zweiten Vatikanischen Konzil
Beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) wurde das Adsumus von den Konzilsvätern zu Beginn jeder Sitzung gebetet. Es erinnerte daran, dass der wahre Protagonist des Konzils weder der Papst noch die Bischöfe oder Theologen waren, sondern der Heilige Geist, der die Kirche „in die ganze Wahrheit führen“ will (vgl. Joh 16,13).
Erneuerung in der Gegenwart: Die Synode über die Synodalität
Kürzlich hat Papst Franziskus zur Wiederentdeckung dieses Gebets im Rahmen des aktuellen synodalen Prozesses aufgerufen. Auch in einer modernisierten, zeitgemäßeren Fassung bleibt sein Geist derselbe: Demut, Bitte, Unterscheidung.
Das lehrt uns etwas Wesentliches: Es gibt keine kirchliche Erneuerung ohne das Gebet zum Heiligen Geist.
III. Theologische Tiefe: Der Heilige Geist als Führer und Einheit
1. Die dritte Person – nicht nur eine „Kraft“ oder ein Gefühl
Manche Christen haben ein unklaren Bild vom Heiligen Geist – als wäre er ein Gefühl, ein mystischer Wind oder eine vage Energie. Doch die Kirche lehrt klar: Der Heilige Geist ist wahrer Gott, Herr und Lebensspender, göttliche Person, die in uns wohnt und mit „unaussprechlichem Seufzen“ für uns eintritt (vgl. Röm 8,26).
Das Adsumus zu beten heißt, in Dialog mit einer lebendigen Person zu treten – mit der ewigen Liebe, die den Vater und den Sohn eint.
2. Der Heilige Geist – die Seele der Kirche
Der heilige Augustinus sagte: „Was die Seele für den menschlichen Körper ist, das ist der Heilige Geist für den Leib Christi, die Kirche.“ Ohne den Heiligen Geist kann die Kirche weder evangelisieren noch lehren, unterscheiden oder heiligen. Alles, was ohne ihn getan wird, droht zu leerem Aktivismus zu verkommen.
IV. Konkrete Anwendungen: Wie man heute das Adsumus betet
1. Vor jeder pastoralen Sitzung oder Gemeinderat
Anstatt mit rein menschlichen Strategien zu beginnen – warum nicht gemeinsam den Heiligen Geist anrufen? Eine Pfarrei ohne gemeinsames Gebet zum Geist läuft Gefahr, zu einer bloßen NGO zu werden.
2. Um persönliche Entscheidungen zu treffen
Vor einer wichtigen Entscheidung – Beruf, Beziehung, Umzug, ein Dienst in der Kirche – bete das Adsumus. Wähle eine Haltung der Verfügbarkeit. Suche nicht nur das „Logische“ oder „Bequeme“, sondern das, was Gott gefällt.
3. Im persönlichen Gebet: jeden Morgen
Beginne deinen Tag mit: „Hier bin ich, Heiliger Geist. Nimm mich. Führe mich. Geh mit mir, wohin du willst.“ Mach dieses Gebet zu deinem täglichen Begleiter. Es wird deine Sichtweise, dein Fühlen und Handeln verändern.
4. In Gebetsgruppen oder Exerzitien
Wenn du in einer Jugendgruppe, einem Katechistenteam, einem Liturgiekreis oder einer Bibelgruppe bist, drucke dieses Gebet aus und bete es regelmäßig gemeinsam. Es gibt keinen besseren „Eisbrecher“ als den Ruf nach dem Geist.
V. Moderne Fassung des Adsumus: für den täglichen Gebrauch
Der Vatikan hat eine modernisierte Version vorgeschlagen, besonders geeignet für Pfarreien, Jugendgruppen oder Gebetsgemeinschaften:
Wir stehen vor Dir, Heiliger Geist,
während wir uns in Deinem Namen versammeln.
Nur Du führst uns:
komm in unsere Herzen,
lehre uns den Weg, dem wir folgen sollen
und wie wir ihn gehen können.
Wir sind schwach und sündig;
lass uns nicht Unordnung stiften.
Lass nicht zu, dass Unwissenheit uns in die Irre führt
oder Parteilichkeit unser Handeln beeinflusst.
Lass uns in Dir die Einheit finden,
damit wir gemeinsam dem ewigen Leben entgegengehen
und uns nicht vom Weg der Wahrheit und der Gerechtigkeit entfernen.
Das alles erbitten wir von Dir,
der Du an jedem Ort und in jeder Zeit wirkst,
in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn,
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
VI. Theologisch-pastoraler Praxisleitfaden: Wie man das Adsumus im Alltag integriert
Lebenssituation | Wie du das Adsumus nutzen kannst |
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Familienentscheidungen | Bete es mit deinem Ehepartner vor wichtigen Entscheidungen (Beruf, Kindererziehung, Umzug…). |
Konflikte in der Gemeinde | Bete das Adsumus vor schwierigen Sitzungen. Bitte um Licht und Einheit. |
Berufungsfindung | Wiederhole dieses Gebet täglich, um dein Herz für den Geist zu öffnen. |
Beginn von Katechese oder Religionsunterricht | Starte jede Einheit mit diesem Gebet: Der Geist ist der eigentliche Lehrer. |
Beichte oder geistliche Begleitung | Bete das Adsumus, damit der Geist deine wahren Wunden und Heilungswege offenbart. |
VII. Schlussfolgerung: Der Heilige Geist wartet… wirst du antworten?
In Zeiten der Krise, der Desorientierung und der Verwirrung müssen wir zum Herzen des Evangeliums zurückkehren. Und das geschieht nicht durch menschliche Strategien, sondern durch demütiges, vertrauensvolles Gebet. Das Adsumus ist keine magische Formel, sondern eine Schule innerer Offenheit.
Gott will seine Kirche erneuern. Er will dein Leben erneuern. Aber er wird es nicht ohne dich tun. Wie an Pfingsten wartet der Heilige Geist darauf, dass du die Tür öffnest.
Tu es – heute. Und jeden Tag. Beginne mit diesen Worten:
„Adsumus, Sancte Spiritus… Hier bin ich, Heiliger Geist. Hier bin ich.“
„Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“
(Johannes 14,26)