Ein Weg ins Herz des Kreuzesopfers Christi
Einleitung: Warum ist die Heilige Messe das Zentrum des christlichen Lebens?
Die Heilige Messe ist nicht bloß ein Ritus oder eine sonntägliche Gewohnheit – sie ist das lebendige Herz des christlichen Lebens. In ihr wird das Opfer Christi am Kreuz wirklich gegenwärtig, nicht blutig, aber real und wirksam. Durch die Messe öffnet sich ein Tor zum Mysterium der Erlösung, zur Teilhabe an Jesu Leiden, Tod und Auferstehung.
Papst Johannes Paul II. sagte: „Die Eucharistie macht die Kirche.“ (Ecclesia de Eucharistia, 21). Um jedoch wirklich zu verstehen, was bei jeder Messe geschieht, müssen wir ihre vier wesentlichen Zwecke neu entdecken: latreutisch, eucharistisch, impetratorisch und propitiatorisch. Diese alten Begriffe enthalten lebendige und hochaktuelle Wahrheiten, die unsere Art zu glauben und zu leben verwandeln können.
Dieser Artikel möchte diese Zwecke mit theologischer Tiefe, spiritueller Nähe und praktischer Relevanz erschließen. Wir betrachten ihre Geschichte, ihre Wurzeln in Christus und in der Heiligen Schrift und – vor allem – wie wir sie im Alltag leben können.
I. Der latreutische Zweck: die vollkommene Anbetung Gottes
Was bedeutet das?
„Latreutisch“ stammt vom griechischen latreía und bedeutet Gottesdienst, Anbetung. Es ist der erste und grundlegendste Zweck der Messe: Gott Ehre, Lob und Anbetung darzubringen, als unserem Schöpfer und Herrn.
Jesus, der vollkommene Anbeter
Nur Jesus Christus kann dem Vater vollkommene Anbetung darbringen, denn Er ist der ewige Sohn, wesensgleich mit dem Vater. Sein Kreuzesopfer ist nicht nur Erlösung, sondern auch höchste Anbetung: das fleischgewordene Wort betet den Vater in vollkommener Hingabe an.
„Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“
(Johannes 4, 24)
Praktische Anwendung: Die Wiederentdeckung des Heiligen
Unsere säkularisierte Kultur hat das Gespür für das Heilige oft verloren. Wir reduzieren den Glauben auf Bitten oder moralische Pflichten, dabei ist das erste Gebot, Gott über alles zu lieben (vgl. Mt 22, 37). Die Teilnahme an der Messe im latreutischen Geist bedeutet:
- Komm früher zur Messe und sammle dich in Stille.
- Verwende äußere Zeichen (Kniebeugen, Verneigungen…), um die innere Haltung auszudrücken.
- Biete jede Messe als Akt der Selbsthingabe und der Ehre Gottes dar.
II. Der eucharistische Zweck: Danksagung
Was bedeutet das?
„Eucharistie“ bedeutet wörtlich Danksagung. In der Messe vereint sich der Gläubige mit Christus, um Gott für alle Gaben zu danken, von der Schöpfung bis zur Erlösung.
Jesus, der Danksagende bis zum Kreuz
Beim Letzten Abendmahl „dankte“ Jesus, bevor Er das Brot brach und es als Seinen Leib darreichte. Dieser einfache, aber tiefe Akt zeigt: das eucharistische Opfer ist zugleich eine radikale Danksagung. Christus dankt dem Vater und lehrt auch uns, Ihm mit Ihm zu danken.
„Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes für euch in Christus Jesus.“
(1 Thessalonicher 5, 18)
Praktische Anwendung: Dankbarkeit als Lebensstil
Wir leben in einer Welt voller Klagen, Vergleiche und Ungeduld. Die Eucharistie als Danksagung zu entdecken, heißt, eine Spiritualität der Dankbarkeit zu pflegen. Versuche Folgendes:
- Sprich am Ende jeder Messe ein persönliches Dankgebet.
- Gewöhne dir an, jeden Abend für mindestens drei Dinge zu danken.
- Bete vor der Kommunion Psalm 116: „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?“
III. Der impetratorische Zweck: demütiges Bitten
Was bedeutet das?
„Impetratorisch“ kommt von impetrare = demütig erbitten. Die Messe ist der Ort, um unsere Bitten dem Vater vorzulegen, für uns selbst, für andere, für die Kirche und für die Welt. Aber wir bitten nicht allein: Christus selbst bittet mit und für uns.
Jesus, der ewige Fürsprecher
Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1 Tim 2, 5). Sein vergossenes Blut „spricht machtvoller als das Abels“ (vgl. Hebr 12, 24). Sein Opfer am Kreuz ist eine ewige Fürbitte. In jeder Messe wird diese himmlische Bitte gegenwärtig.
„Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.“
(Matthäus 7, 7)
Praktische Anwendung: Mit Vertrauen beten
Manchmal scheint es, als würden unsere Gebete ungehört bleiben. Doch jede Messe ist der wirksamste Moment, um Bitten an den Vater zu richten. Tipps:
- Schreibe dir vor der Messe deine Anliegen auf und lege sie beim Gabengang geistlich auf den Altar.
- Opfere regelmäßig eine Messe für Kranke, Verstorbene, Anliegen oder Menschen in Not auf.
- Pflege die Hoffnung: Was in der Messe dargebracht wird, wird gehört – vielleicht nicht wie du erwartest, aber in Gottes Weise.
IV. Der propitiatorische Zweck: Sühne für die Sünden
Was bedeutet das?
Die Messe ist auch ein Sühneopfer. Das heißt: Sie bringt dem Vater eine vollkommene Genugtuung für unsere Sünden und die der Welt dar. Zwar kann nur Christus uns erlösen, doch wir dürfen mit Ihm Opfer der Wiedergutmachung darbringen.
Jesus, das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt
Schon Johannes der Täufer nennt Jesus „das Lamm Gottes“ (vgl. Joh 1, 29). Er ist das wahre Paschalamm, das uns mit dem Vater versöhnt. Das Kreuz ist nicht nur Liebe – es ist auch Wiederherstellung der Gerechtigkeit: Genugtuung, wie sie der Mensch allein nie leisten könnte.
„Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht nur für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt.“
(1 Johannes 2, 2)
Praktische Anwendung: Bußgeist leben
Die Messe ist eine Schule der Umkehr. Wer diesen propitiatorischen Aspekt lebt:
- Geht regelmäßig zur Beichte, denn das Opfer Christi ersetzt nicht die Reue, sondern erfüllt sie.
- Vereint alltägliche Opfer – Arbeit, Leiden, Frust – geistlich mit dem Messopfer.
- Betet mit zerknirschtem Herzen: „Ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.“ (Ps 51, 19)
Ein praktischer Leitfaden aus theologischer und pastoraler Sicht
1. Bereite dein Herz auf die Messe vor
Mache eine Gewissenserforschung, suche wenn nötig das Sakrament der Versöhnung. Die Gnadenfrüchte der Messe sind umso reicher, je reiner unsere Seele.
2. Lebe die vier Zwecke während der Messe bewusst
Nutze jede Phase der Messe für einen der Zwecke:
- Einführung: Reue, Umkehr → propitiatorisch
- Wortgottesdienst: Hörbereitschaft → latreutisch
- Gabengang: Bitten → impetratorisch
- Wandlung: innere Anbetung → latreutisch & propitiatorisch
- Kommunion: Danksagung → eucharistisch
3. Messe als Lebensschule
Was du in der Messe lernst – Anbetung, Dank, Bitte, Sühne – soll auch deinen Alltag prägen:
- Bete Gott in der Schöpfung, im Nächsten, im Stillen an.
- Danke auch in Prüfungen.
- Bete beharrlich.
- Opfere deine Leiden auf für andere und für das Heil der Welt.
Schlusswort: Die Messe als Schatz unseres Glaubens neu entdecken
In einer Zeit, in der viele Katholiken die Messe besuchen, ohne wirklich zu verstehen, was geschieht, ist es dringend notwendig, die tiefe theologische und geistliche Bedeutung der vier Zwecke des Messopfers wiederzuentdecken. Wir gehen nicht nur aus Pflicht, sondern um mit Christus zu beten, danken, bitten und sühnen – als Glieder Seines mystischen Leibes.
Jede Messe ist ein Moment der Wandlung – nicht nur von Brot und Wein, sondern auch deines Herzens, deiner Familie, deiner Geschichte und deiner Welt… wenn du im lebendigen Glauben mitfeierst.
„Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“
(Lukas 22, 19)
Und du? Wie wirst du deine nächste Messe leben?