Der Sinn des Heiligen: Jungen Menschen Ehrfurcht in der Liturgie beibringen

Ein spiritueller Leitfaden, um die Ehrfurcht im Herzen des katholischen Gottesdienstes neu zu entdecken


Einleitung: Warum heute über den Sinn des Heiligen sprechen?

Wir leben in einer Zeit, in der Unmittelbarkeit, Technologie und Unterhaltung die emotionale und spirituelle Landschaft der jungen Generationen beherrschen. In diesem schnellen und oft oberflächlichen Kontext erscheint die Liturgie der Kirche — mit ihrer Stille, Symbolik, heiligen Sprache und Ausrichtung auf das Mysterium — vielen jungen Menschen wie eine fremde, ja unverständliche Sprache. Wie können wir ihnen also helfen, den tiefen Wert des Heiligen zu entdecken? Wie können wir ihnen beibringen, dass die Liturgie keine Show und kein gesellschaftliches Treffen ist, sondern der bevorzugte Ort der Begegnung mit dem lebendigen Gott?

Dieser Artikel möchte auf diese Fragen aus theologischer, pastoraler und praktischer Perspektive antworten und Eltern, Katecheten, Priestern und Gläubigen im Allgemeinen helfen, den Sinn des Heiligen — insbesondere in der Liturgie — neu zu entdecken und zu vermitteln.


1. Was ist das Heilige?

Der Begriff „heilig“ stammt vom lateinischen sacer, was „geweiht“ oder „für Gott bestimmt“ bedeutet. Im biblischen Denken ist das Heilige das, was von Gott berührt wurde, was Ihm ausschließlich gehört. In diesem Sinne handelt es sich nicht nur um einen Gegenstand oder einen Ort, sondern um eine Realität, die von der göttlichen Gegenwart durchdrungen ist.

Gott ist der Heilige schlechthin. Der Prophet Jesaja ruft dies in seiner Vision des himmlischen Thrones aus:

„Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen; die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit.“ (Jesaja 6,3)

Die Heiligkeit Gottes ist nicht nur eine Eigenschaft unter vielen, sondern Sein Wesen selbst. Am Heiligen teilzunehmen bedeutet also, in eine direkte Beziehung zu diesem dreimal heiligen Gott zu treten. Deshalb setzt der Kontakt mit dem Heiligen in der ganzen Bibel eine Haltung der Ehrfurcht, des Staunens, der Demut und sogar der heiligen Furcht voraus.


2. Die Liturgie als heiliger Raum

Die Liturgie ist keine menschliche Erfindung, sondern eine Handlung Christi und Seiner Kirche. In ihr wird das Geheimnis des Heils sakramental gegenwärtig. Es ist Gott selbst, der handelt, und wir sind eingeladen, an diesem göttlichen Handeln teilzunehmen.

Das Zweite Vatikanische Konzil bringt dies klar zum Ausdruck:

„Die Liturgie, durch die vor allem im göttlichen Opfer der Eucharistie das Werk unserer Erlösung vollzogen wird, trägt in höchstem Maße dazu bei, dass die Gläubigen in ihrem Leben das Geheimnis Christi zum Ausdruck bringen und es anderen kundtun.“ (Sacrosanctum Concilium, 2)

Die Liturgie ist also nicht einfach „religiöses Tun“, sondern das Eintreten in den Bereich des Mysteriums. Jede Geste, jedes Wort, jedes liturgische Gewand, jedes Symbol und jeder Ritus hat eine Tiefe, die auf die Ewigkeit verweist. Der Altar, der Weihrauch, der Gesang, die Stille… alles in der Liturgie weist auf eine Realität hin, die uns übersteigt und nur im Glauben und mit Ehrfurcht empfangen werden kann.


3. Warum haben junge Menschen den Sinn für das Heilige verloren?

Dieser Verlust betrifft nicht nur junge Menschen. Er ist Teil einer umfassenderen kulturellen Krise: Die Säkularisierung hat die Wahrnehmung des Mysteriums untergraben und damit auch das Bewusstsein für das Heilige. Bei jungen Menschen ist dieser Prozess jedoch aus mehreren Gründen noch ausgeprägter:

  • Oberflächlicher oder fehlender Religionsunterricht: Viele Jugendliche wurden nicht in der doktrinellen und liturgischen Tiefe des katholischen Glaubens unterrichtet.
  • Banalisierte liturgische Umgebungen: In vielen Pfarreien hat die Liturgie an Würde verloren: Sie wird improvisiert, die symbolische Sprache wird vernachlässigt, die Stille wird der Spontaneität geopfert.
  • Einfluss der digitalen Kultur: Gewöhnt an das Unmittelbare, das Visuelle und das Emotionale, fällt es jungen Menschen schwer, den langsamen Rhythmus und die inhaltliche Dichte der Liturgie zu schätzen.

All dies führt dazu, dass die Messe als langweilig oder irrelevant empfunden wird und das Heilige als „altmodisch“ oder „unnötig“ erscheint. Dabei ist gerade der Kontakt mit dem Transzendenten, den nur das Heilige bieten kann, das, was junge Menschen am meisten brauchen — auch wenn sie es nicht immer wissen.


4. Der theologische Sinn liturgischer Ehrfurcht

Ehrfurcht in der Liturgie ist nicht bloß eine Frage von Anstand oder Etikette. Sie hat eine tiefe theologische Grundlage: Sie ist Ausdruck von Glaube und Liebe. Wer glaubt, dass Christus in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist, kann sich nicht so verhalten, als sei er in einem Besprechungsraum. Wer den Herrn liebt, möchte Ihn mit seinem ganzen Wesen ehren: mit Leib, Geist und Herz.

Wie der heilige Paulus sagt:

„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Korinther 3,16)

Diese Ehrfurcht zeigt sich in:

  • Bescheidener Kleidung, die anerkennt, dass man das Haus Gottes betritt.
  • Körperhaltungen: Kniebeugen, Verneigungen, gefaltete Hände.
  • Betender Stille vor, während und nach der Messe.
  • Der Weise des Kommunionempfangs, mit Glauben und Sammlung.
  • Liturgischer Sprache, die das Banale meidet und sich dem Erhabenen öffnet.

Es geht nicht darum, Vorschriften aus Angst oder Gewohnheit zu erfüllen, sondern die Seele so zu formen, dass sie in Einklang mit dem Mysterium tritt. Die Liturgie ist „die Schule der Heiligkeit“, wie es Papst Johannes Paul II. sagte.


5. Wie man junge Menschen zur liturgischen Ehrfurcht erzieht

Ehrfurcht zu lehren heißt nicht aufzuzwingen, sondern Verlangen zu wecken. Es bedeutet, die Schönheit des Heiligen zu zeigen, damit die Seele Hunger nach dem Ewigen bekommt. Hier einige konkrete Vorschläge:

a) Das Zeugnis der Erwachsenen

Nichts wirkt stärker als ein Erwachsener, der seinen Glauben glaubwürdig lebt. Wenn junge Menschen sehen, wie ihre Eltern, Katecheten oder Priester ehrfürchtig knien, andächtig singen, schweigen, sich respektvoll kleiden, lernen sie ohne viele Worte.

b) Die „Warum-Frage“ der Zeichen erklären

Jedes liturgische Symbol hat eine Geschichte, eine theologische Bedeutung und eine geistliche Funktion. Wenn junge Menschen den Wert von Weihrauch, Weihwasser, der Ausrichtung nach Osten, liturgischen Farben etc. verstehen, wächst ihre Liebe zur Liturgie.

c) Die Stille wiederentdecken

In einer lauten Welt ist die Stille ein Zeichen des Widerstands. Aber sie ist auch zutiefst notwendig. Jungen Menschen beizubringen, „mit Gott still zu sein“, heißt, ihnen das Gebet beizubringen.

d) Die Messe als Akt der Liebe leben

Man muss ihnen helfen zu erkennen, dass die Messe nicht nur ein Ritus ist, sondern eine Hingabe: Christus schenkt sich, und wir sind eingeladen, unser Herz zu schenken. Wenn junge Menschen die Liturgie als Liebesgeschichte begreifen, erleben sie sie anders.

e) Sie an die liturgische Tradition heranführen

Viele junge Menschen, die die Schönheit der traditionellen Liturgie entdecken (außerordentliche Form des römischen Ritus, gregorianischer Choral, sakrale Kunst usw.), erfahren eine echte innere Umkehr. Das Alte schreckt sie nicht ab, es zieht sie an.


6. Praktische Anwendungen im Alltag

Die Ehrfurcht in der Liturgie bleibt nicht auf die Kirche beschränkt. Sie verwandelt das Leben. Eine Seele, die lernt, Gott mit Ehrfurcht zu begegnen, begegnet auch Eltern, Lehrern und Geschwistern mit mehr Respekt. Ein junger Mensch, der versteht, dass Gott das Beste verdient, wird auch in Schule, Freundschaft und Entscheidungen das Beste von sich geben wollen.

Den Sinn des Heiligen zu lehren, heißt, Samen der Heiligkeit zu säen. Es gibt keine Heiligkeit ohne Ehrfurcht. Es gibt keine geistliche Reife ohne Anbetung.


7. Ein dringender pastoraler Aufruf

Seelsorger, Katecheten, Eltern: Habt keine Angst, Respekt einzufordern, Ehrfurcht zu lehren, die Liturgie zu pflegen. Es geht nicht darum, in Starrheit zu verfallen oder Angst zu erzeugen, sondern darum, die Tore zum Mysterium zu öffnen. Das menschliche Herz — auch das der Jugend — ist für das Große, das Ewige, das Heilige geschaffen.

Wie es im Psalm heißt:

„Kommt, lasst uns niederfallen und uns verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn, der uns gemacht hat!“ (Psalm 95,6)


Schlussfolgerung: Das Heilige neu entdecken heißt, Gott neu entdecken

Die Welt braucht Heilige. Und Heiligkeit beginnt mit dem Staunen vor Gott. Jungen Menschen Ehrfurcht in der Liturgie beizubringen heißt, ihnen die Werkzeuge zur Begegnung mit dem lebendigen Gott zu geben. Es heißt, ihnen zu zeigen, dass das Schönste nicht improvisiert wird, dass das Wesentliche nicht das Gefühl ist, sondern wer einem begegnet.

Die Kirche besitzt einen Schatz, den die Welt nicht geben kann: die reale Gegenwart Christi in der Eucharistie. Dass junge Menschen Ihn entdecken, lieben und anbeten, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Und sie beginnt mit etwas sehr Einfachem, aber zutiefst Verwandlungsfähigem: den Sinn des Heiligen wieder zu lehren.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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