Coram Sanctissimo: Wenn die Messe vor dem ausgesetzten Allerheiligsten gefeiert wird

Ein geistlicher und theologischer Leitfaden zur Wiederentdeckung der Tiefe eucharistischer Anbetung in der Liturgie


EINLEITUNG: EINE MESSE, DIE GOTT INS GESICHT SCHAUEN WILL

Stellen Sie sich vor, die Heilige Messe wird gefeiert… nicht einfach am Altar, sondern vor dem eucharistischen Christus selbst, feierlich ausgesetzt in der Monstranz, ausstrahlend Seine reale Gegenwart – vom Herzen des Tabernakels aus in die Welt. Genau das ist das Wesen der „Coram Sanctissimo“-Messe, eine tief ehrfürchtige Form der Messfeier in Gegenwart des ausgesetzten Allerheiligsten, eine früher verbreitete Praxis, die heute – obwohl selten – ein theologischer und geistlicher Schatz der katholischen Tradition ist.

In diesem Artikel tauchen wir tief – und zugleich verständlich – ein in die Bedeutung dieser besonderen Messform: ihre Geschichte, ihre theologische Tragweite und vor allem, wie sie uns heute helfen kann, eine eucharistischere und Christus-zentriertere Spiritualität zu leben.


1. WAS BEDEUTET „CORAM SANCTISSIMO“?

Der lateinische Ausdruck Coram Sanctissimo bedeutet wörtlich „vor dem Allerheiligsten“. Gemeint ist damit die Feier der Heiligen Messe in Gegenwart des ausgesetzten Allerheiligsten in der Monstranz, also mit Christus, der sichtbar gegenwärtig und angebetet wird, während das heilige Opfer dargebracht wird.

Keine gewöhnliche Messe

Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Messe oder eine zusätzliche Frömmigkeitsübung. Die Coram Sanctissimo-Messe ist durch und durch ein Ausdruck größter Ehrfurcht, Anbetung und Feierlichkeit und wird in besonderen Situationen gefeiert, wie etwa:

  • An Fronleichnam und in der Oktav
  • Bei Votivmessen zum Allerheiligsten Sakrament
  • Während Zeiten eucharistischer Anbetung oder der Vierzigstündigen Andacht
  • In Zeiten der Buße oder besonderen Fürbitte

Bei dieser Messform bleibt die Monstranz auf dem Altar (oder auf einem eucharistischen Thron) ausgesetzt, umgeben von brennenden Kerzen und – idealerweise – ständigem Weihrauch. Die ganze liturgische Handlung vollzieht sich „vor Ihm“ – körperlich, theologisch und geistlich.


2. HISTORISCHE WURZELN: EINE PRAXIS MIT TIEFEN SPUREN

Seit dem Mittelalter

Der Brauch, das Allerheiligste während der Messe auszusetzen, geht auf die eucharistische Frömmigkeit des Mittelalters zurück – besonders ab dem 13. Jahrhundert, als Papst Urban IV. das Hochfest Fronleichnam einführte, inspiriert vom eucharistischen Wunder von Bolsena.

Mit der Zeit entwickelten sich Formen der eucharistischen Anbetung wie die Vierzigstündige Andacht, bei der das Allerheiligste über längere Zeit ausgesetzt war und die Feier der Messe den Höhepunkt der Anbetung darstellte.

Ein Akt des Glaubens gegenüber dem Unglauben

Viele Päpste förderten die längere Aussetzung des Allerheiligsten als Akt der Sühne gegen eucharistische Irrlehren – insbesondere gegen den Protestantismus – und als Hilferuf in Zeiten von Krieg, Pest oder sozialer Not. Es war ein öffentliches Bekenntnis: „Er ist hier – und zu Ihm wollen wir sprechen, weinen, danken und bitten!“


3. DIE THEOLOGIE DER REALPRÄSENZ

Christus wirklich gegenwärtig

Man kann über die Coram Sanctissimo-Messe nicht sprechen, ohne diese große Glaubenswahrheit zu betonen: Christus ist im Allerheiligsten Sakrament wirklich, wahrhaft und wesentlich gegenwärtig. Wie das Konzil von Trient lehrt:

„Im allerheiligsten Sakrament der Eucharistie ist der wahre Leib und das wahre Blut zusammen mit der Seele und der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus wirklich, wahrhaft und wesentlich enthalten.“ (Denzinger 1651)

Die Aussetzung der Monstranz während der Messe ist also nicht bloß ein frommer Akt – es ist das sichtbare Offenbarwerden dessen, dem das Opfer dargebracht wird. Es ist Anbetung gegenüber demselben Herrn, der uns im Sakrament nährt.

Die Liturgie wird zum Angesichtsgespräch

Die Liturgie ist immer Begegnung mit Gott. Doch wenn dieser Gott sichtbar ausgesetzt ist – greifbar in der Hostie –, gewinnt alles an Intensität: jedes Wort, jede Geste, jedes Schweigen bekommt ein ewiges Gewicht.

Der Priester handelt nicht mehr nur „vor dem Volk“, sondern vor dem König selbst, den er anschaut und dem er das erlösende Opfer darbringt. Auch das Volk betet nicht nur mit Begriffen – sondern in Seiner realen Gegenwart.


4. PASTORALE UND SPIRITUELLE BEDEUTUNG FÜR HEUTE

In einer abgelenkten Welt – Christus anschauen

Wir leben in einer hypervernetzten, aber geistlich entkoppelten Kultur. Die Coram Sanctissimo-Messe bietet uns eine Oase der Gegenwart – einen Moment, um Jesus im Schweigen zu betrachten, Ihn anzubeten, Ihn zu bitten und Ihm zu sagen: „Bleibe bei uns“ (vgl. Lk 24,29).

Gerade heute müssen wir das Heilige neu entdecken. Diese Messform kann ein pastorales Instrument sein, um:

  • Eucharistische Anbetung neu zu entfachen
  • Liturgische Ehrfurcht zu fördern
  • Durch sichtbares Zeichen zu lehren, dass Gott wirklich gegenwärtig ist
  • Priester- und Ordensberufungen zu inspirieren
  • Gläubige zu tieferer Kontemplation und Eucharistiefrömmigkeit zu erziehen

Die Messe ist nicht nur ein Mahl, sondern ein Opfer

Die Messe Coram Sanctissimo hilft auch, moderne Irrtümer zu bekämpfen, die die Eucharistie auf ein bloßes Symbol oder gemeinschaftliches Mahl reduzieren. Wenn man Christus in der Monstranz sieht, während die Hostie erhoben wird, ist das eine visuelle Lehre: Die Messe ist das Opfer von Golgotha, das gegenwärtig wird.


5. PRAKTISCHER LEITFADEN ZUM LEBEN IM GEIST VON “CORAM SANCTISSIMO”

Auch wenn nicht jeden Tag eine Messe Coram Sanctissimo gefeiert wird, kann ihr Geist unser tägliches geistliches Leben prägen. Hier einige konkrete Wege:

1. Besuchen Sie eucharistische Anbetung

Am besten jede Woche. Bleiben Sie still. Schauen Sie den Herrn an. Lassen Sie sich anschauen. Beten Sie den Rosenkranz vor dem Allerheiligsten, lesen Sie die Heilige Schrift – oder seien Sie einfach da.

2. Erleben Sie jede Messe „als ob Jesus ausgesetzt wäre“

Auch wenn Sie Ihn nicht in der Monstranz sehen – Jesus ist in jeder Messe wirklich da. Seien Sie sich Seiner Gegenwart bewusst. Knien Sie sich ehrfürchtig hin, singen Sie von Herzen, kleiden Sie sich angemessen, bewahren Sie innere Stille.

3. Bereiten Sie Ihre Seele auf die Kommunion vor

Ihre Seele ist der „eucharistische Thron“, auf dem Jesus wohnen will. Gehen Sie regelmäßig zur Beichte. Machen Sie geistliche Kommunionen. Bitten Sie die Gottesmutter, Sie zu lehren, Ihn so aufzunehmen, wie sie es bei der Verkündigung tat.

4. Fördern Sie die Aussetzung des Allerheiligsten in Ihrer Pfarrei

Sprechen Sie mit Ihrem Pfarrer. Schlagen Sie Anbetungsstunden vor – besonders donnerstags (Tag der Eucharistie). Laden Sie andere ein. Christus lässt sich in Großzügigkeit nie übertreffen.


6. EIN BIBLISCHES WORT FÜRS HERZ

Schließen wir mit einem starken Vers aus dem Buch Exodus, der geistlich beleuchtet, was in der Coram Sanctissimo-Messe geschieht:

„Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund spricht.“ (Ex 33,11)

Das ist die Messe vor dem Allerheiligsten: eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht, ein intimer Dialog, eine ewige Freundschaft. Nicht nur der Priester, sondern jeder von uns darf Jesus anschauen und sagen: „Hier bin ich, Herr – um Dich anzubeten, Dich zu lieben, mich mit Dir zu opfern.“


SCHLUSS: DAS HEILIGE GESICHT DER LIEBE

Die Coram Sanctissimo-Messe ist mehr als eine alte liturgische Tradition. Sie ist eine Schule der Anbetung, eine Einladung, Christus wieder in die Mitte zu stellen – nicht nur der Liturgie, sondern unseres ganzen Lebens.

In einer Welt, die kaum noch weiß, wie man kniet, lehrt uns diese Feierform, zum Wesentlichen zurückzukehren: Gott ist da, Er schaut dich an, Er wartet auf dich, Er liebt dich.

Und du? Bist du bereit, Ihm auch in die Augen zu schauen?


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Kommt, lasst uns Ihn anbeten!

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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