Die Himmelfahrt: Christus, der König, steigt zum Vater empor, um uns einen Platz vorzubereiten

Ein geistlicher, theologischer und pastoraler Leitfaden zum Verstehen und Leben des Geheimnisses der Himmelfahrt im Alltag


Einleitung: Jenseits der Wolken – ein lebendiges Versprechen

Vierzig Tage nach der strahlenden Freude der Auferstehung feiert die Kirche im Rhythmus des liturgischen Kalenders ein oft übersehenes Hochfest. Und doch birgt es eine der erhabensten und hoffnungsvollsten Wahrheiten des Christentums: die Himmelfahrt des Herrn. Es geht nicht nur um die Erinnerung an einen spektakulären Moment, in dem Jesus „zum Himmel aufsteigt“; vielmehr geht es darum, dass Christus, der verherrlichte König, zum Vater heimkehrt, um uns dort eine Wohnung vorzubereiten.

Dieses Geheimnis spricht von Bestimmung, von Hoffnung und von Sendung. Es erinnert uns daran, dass wir nicht geschaffen wurden, um in den irdischen Dingen verhaftet zu bleiben, sondern dass wir berufen sind zu einem Leben in Ewigkeit. Heute mehr denn je, in einer Welt, die rastlos voranschreitet und das Transzendente aus dem Blick verliert, ist die Botschaft der Himmelfahrt eine Botschaft über Sinn, Verheißung und Zukunft.


1. Geschichte und biblische Grundlage

Die Himmelfahrt wird hauptsächlich in zwei biblischen Abschnitten geschildert:

  • Apostelgeschichte 1, 9–11:

„Nachdem er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt zum Himmel emporblickten, wie er auffuhr, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: ‚Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.‘“

  • Lukas 24, 50–53:

„Dann führte er sie hinaus bis in die Nähe von Betanien. Er erhob seine Hände und segnete sie. Und es geschah: Während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben.“

Beide Berichte stimmen in einem entscheidenden Punkt überein: Jesus verschwindet nicht, er steigt empor. Er löst sich nicht einfach in Luft auf, sondern tritt in eine neue Daseinsweise ein: die himmlische Herrlichkeit, die vollkommene Gemeinschaft mit dem Vater.

Die Himmelfahrt ist kein Entfliehen aus der Welt, sondern die Vollendung der irdischen Sendung des Messias. Nachdem er durch Kreuz und Auferstehung den Tod und die Sünde besiegt hat, kehrt Jesus in die Herrlichkeit zurück, die ihm als Sohn Gottes und Herr der Geschichte zusteht.


2. Theologische Bedeutung: Christus als König und ewiger Mittler

a. Jesus, der gekrönte König

Durch die Himmelfahrt verlässt Jesus seine Kirche nicht: Er steigt als König auf, um vom Himmel aus zu herrschen. Dieses Bild vermittelt Paulus in seinem Brief an die Epheser:

„Er hat ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel, über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften“ (Eph 1, 20–21).

Die Himmelfahrt ist die Krönung des auferstandenen Herrn, der Moment, in dem seine verherrlichte Menschheit endgültig in die Herrlichkeit des Vaters eintritt. Von dort aus lenkt er die Geschichte und führt seine Kirche als der gute Hirt.

b. Jesus, der Hohepriester und Mittler

Der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK 662) lehrt: Christus „ist in den Himmel selbst eingetreten, um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen. Er ist der Mittler, der unaufhörlich für uns eintritt und uns die beständige Ausgießung des Heiligen Geistes sichert.“

Das bedeutet, dass Jesus vom Himmel aus unaufhörlich für uns eintritt. Er ist unser Anwalt, unser Fürsprecher, unser Hohepriester, der unser Leben dem Vater darbringt.

c. Christus bereitet uns eine Wohnung vor

Jesus selbst hatte es verheißen:

„Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen … Ich gehe, um euch einen Platz vorzubereiten“ (Joh 14, 2).

Die Himmelfahrt ist die Erfüllung dieses Versprechens: Christus öffnet uns die Pforten des Himmels. Er ist schon dort, als der Erstgeborene von den Toten, damit auch wir ihm folgen können.


3. Geistliche und existenzielle Auswirkungen

a. Wir sind Pilger – keine dauerhaften Bewohner dieser Welt

Die Himmelfahrt erinnert uns daran, dass unsere wahre Heimat im Himmel ist (vgl. Phil 3, 20). Dieses Leben mit all seinen Schönheiten und Herausforderungen ist ein Weg – nicht das Ziel. Das Geheimnis der Himmelfahrt zu leben bedeutet, den Alltag mit den Augen der Ewigkeit zu betrachten, auch inmitten des Leidens in der Hoffnung zu leben, dass Christus bereits gesiegt hat und uns erwartet.

b. Unsere Körper und unsere Menschlichkeit sind zur Herrlichkeit berufen

Christus ist nicht nur als Geist in den Himmel aufgefahren, sondern mit seinem verherrlichten Leib. Das bedeutet: Unsere Menschlichkeit wird nicht verworfen, sondern erhöht. Unser Leib, unsere Gefühle, unsere Geschichte – alles ist zur endgültigen Erlösung bestimmt. Das verleiht jedem Aspekt unseres Lebens eine Würde und lädt uns ein, unseren Leib als Tempel des Heiligen Geistes zu achten.

c. Mit den Füßen auf der Erde, mit den Augen zum Himmel

Die Engel in Apg 1 sprechen deutlich: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Die Himmelfahrt lädt uns nicht zum Rückzug ein, sondern dazu, mit Sendungsbewusstsein zu leben. Jesus steigt auf, aber er sendet uns, um zu evangelisieren, die Welt zu verwandeln und Zeugen seines Reiches zu sein.


4. Theologisch-pastoraler Leitfaden: Wie kann ich die Himmelfahrt im Alltag leben?

1. Erneuere deine Hoffnung

  • Erinnere dich täglich daran, dass Christus herrscht und regiert vom Himmel aus.
  • In Zeiten persönlicher, gesellschaftlicher oder kirchlicher Krisen sprich im Glauben: Jesus Christus lebt und sitzt zur Rechten des Vaters.
  • Bete das Credo aufmerksam und lasse die Worte „aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“ zur Quelle des Friedens werden.

2. Mache dein Leben zu einem geistlichen Opfer

  • Vereine deinen Alltag mit dem Christi: deine Arbeit, deine Mühe, deine Freuden.
  • Sprich jeden Morgen: Jesus, ich schenke dir diesen Tag; bringe ihn dem Vater dar als lebendiges Opfer.

3. Suche das, was droben ist, ohne das Irdische zu verachten

  • Paulus ermahnt: „Sucht das, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kol 3, 1).
  • Das bedeutet nicht, die Erde zu verachten, sondern sie mit einer Perspektive der Ewigkeit zu leben.
  • Halte Momente der Stille, des Gebets und der Kontemplation – auch des echten Himmels –, um dich an deine Berufung zu erinnern.

4. Sei ein aktiver Zeuge des Reiches Gottes

  • Die Himmelfahrt sendet uns, die Mission Christi fortzusetzen.
  • In deiner Familie, bei der Arbeit, in der Gemeinde: Sei ein Zeichen des Reiches Gottes – durch Gerechtigkeit, Liebe, Dienst und Glaube.
  • Frage dich: Wie bereite ich bereits mit jeder Entscheidung die Wohnung im Himmel vor, die mir bereitet wurde?

5. Feier liturgisch und lebe sakramental

  • Nimm an der Eucharistie teil mit dem Herzen auf den Himmel gerichtet: dort sind wir auf mystische und reale Weise beim Christus.
  • Empfange die Kommunion im Bewusstsein, dass du mit dem auferstandenen und verherrlichten Herrn vereint bist – bei jeder Messe nimmst du teil an seinem Reich.

5. Die Himmelfahrt heute: ein dringender Ruf, den Blick zu erheben

Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit, des Individualismus, von Kriegen, gesellschaftlichen Umbrüchen und eines zunehmenden Verlustes des Sinns für das Heilige. Die Himmelfahrt ist in diesem Kontext Balsam und Kompass zugleich:

  • Sie erinnert uns: Wir sind nicht allein – Christus regiert.
  • Sie tröstet: Er tritt für uns ein und erwartet uns.
  • Sie fordert uns heraus: Wir haben einen konkreten Auftrag in dieser Welt.
  • Sie richtet uns aus: Der Himmel ist unsere wahre Heimat, und wir sind auf der Durchreise.

Die Himmelfahrt ist gewissermaßen das Gegenmittel gegen die Hoffnungslosigkeit. Wenn Jesus gesiegt hat und beim Vater ist, dann bedeutet das: Die Geschichte hat einen Sinn, unser Leben hat eine Richtung, und unser Glaube ist nicht vergeblich.


Schluss: Mit Christus emporsteigen – auch schon hier auf Erden

Christus steigt nicht auf, um sich von uns zu entfernen, sondern um uns näher zu sein durch den Heiligen Geist. Er verlässt die Welt nicht, sondern herrscht über sie und bereitet das ewige Festmahl vor.

Möge jeder von uns – mit den Füßen fest auf der Erde, aber dem Herzen zum Himmel erhoben – die Himmelfahrt so leben, wie sie wirklich ist: Ein lebendiges Versprechen, ein Ruf zur Heiligkeit und ein Vorgeschmack auf die Herrlichkeit, die uns erwartet.

„Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ (Mt 6, 21)
Möge unser Schatz im Himmel sein, wo Christus uns als König und Bruder vorausgeht. Und möge unser Leben – vereint mit seinem – eine aktive Vorbereitung auf jenen Tag sein, an dem wir durch seine Gnade seine Stimme hören, die uns bei unserem Namen ruft zu dem Ort, den er für uns bereitet hat.

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Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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