Einleitung:
In einer Zeit, in der die Welt von einer schweren ökologischen Krise erschüttert wird, bieten Wissenschaft, Politik und soziale Bewegungen zahlreiche Lösungen an. Doch selten erhebt sich die Stimme der christlichen Tradition als prophetische Antwort. Dabei lebten die Heiligen — diese großen Liebenden Gottes — schon lange eine Art „ganzheitliche Ökologie“, bevor es modern wurde. Was sagen uns der heilige Franziskus von Assisi, die heilige Hildegard von Bingen, der heilige Benedikt, der Pfarrer von Ars oder Johannes Paul II. über den verantwortungsvollen Umgang mit Gütern, ein einfaches Leben und die Sorge um unser gemeinsames Haus?
Dieser Artikel will keine „grünen Tipps“ wie die Welt sie gibt, sondern eine spirituelle und theologische Sichtweise wiederentdecken, die uns hilft, mit Einfachheit, Ehrfurcht und Liebe zu leben – nicht nur gegenüber der Natur, sondern vor allem gegenüber dem Schöpfer.
Ökologische Askese ist kein Trend – sie ist ein Ruf zur Bekehrung des Herzens.
1. Der heilige Franziskus von Assisi: Lebe wie ein Bruder, nicht wie ein Besitzer
„Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte, bunte Blumen und Kräuter hervorbringt.“ (Sonnengesang)
Franziskus war kein moderner Umweltaktivist, sondern ein tief katholischer Mystiker. Seine Liebe zu den Geschöpfen war kein romantischer Gefühlsüberschwang, sondern beruhte auf der Gewissheit, dass die ganze Schöpfung die Herrlichkeit Gottes widerspiegelt. Er verehrte die Natur nicht — er sah sie als Schwester in der großen Familie des Vaters.
Ratschlag des hl. Franziskus:
Löse dich vom Konsumismus. Lebe mit dem, was notwendig ist. Lerne Dankbarkeit und sorge dich um das, was dir anvertraut ist, wie um ein heiliges Geschenk. Übermäßiger Besitz erdrückt die Seele. Die franziskanische Armut ist Befreiung, kein Verlust.
Konkrete Umsetzung:
- Überprüfe deinen Lebensstil: Brauchst du wirklich alles, was du kaufst?
- Verschenke oder spende, was du nicht nutzt.
- Probiere einen Konsum-Fastenzeit: Eine Woche lang nur das Nötigste kaufen.
2. Die heilige Hildegard von Bingen: Höre auf die Harmonie der Schöpfung
Ärztin, Prophetin, Theologin und Kirchenlehrerin – Hildegard hatte eine zutiefst organische Sicht auf das Universum. Für sie zerstört die Sünde nicht nur die Beziehung zu Gott, sondern bringt auch die gesamte Schöpfung aus dem Gleichgewicht. Sie lehrte, dass der Mensch mit der göttlichen Weisheit („viriditas“, die grüne Lebenskraft Gottes) zusammenarbeiten soll, indem er inneres und äußeres Gleichgewicht wahrt.
Ratschlag der hl. Hildegard:
Achte auf deinen Körper, deine Seele und deine Umgebung wie auf einen lebendigen Tempel. Vergeude deine Lebenskraft nicht. Lerne maßvoll zu essen, zielgerichtet zu arbeiten und im Frieden mit deiner Umwelt zu leben.
Konkrete Umsetzung:
- Überdenke deine Essgewohnheiten: Iss achtsam, nicht gierig.
- Übe eine „Ökologie der Zeit“: Gestalte deinen Tag ohne unnötige Hast, suche Stille und Sabbatruhe.
- Pflanze etwas, pflege einen kleinen Garten oder verbinde dich mit den natürlichen Jahreszeiten.
3. Der heilige Benedikt von Nursia: „Ora et labora“ im Gleichgewicht
Benedikt verfasste keine Umweltenzyklika, doch seine berühmte Regel — die Generationen von Mönchen geprägt hat — enthält eine Spiritualität der Arbeit, der Demut und des Respekts vor den Dingen. In seinen Klöstern hatte alles seinen Platz: Stille, Handarbeit, Sauberkeit, Liturgie, Landwirtschaft.
Ratschlag des hl. Benedikt:
Verachte nichts Kleines oder Gewöhnliches. Mache jede Handlung zu einer Gott wohlgefälligen Opfergabe. Lebe mit Ordnung, Mäßigung und gesundem Menschenverstand. Die Seele wird im Konkreten geformt.
Konkrete Umsetzung:
- Gestalte dein Zuhause und Leben wie ein kleines Kloster: räume auf, reduziere, strukturiere deine Zeit.
- Danksage für die Dinge, die du benutzt – behandle sie nicht gedankenlos.
- Nutze deine Gegenstände bis zum Ende, bevor du neue kaufst.
4. Der heilige Johannes Maria Vianney (Pfarrer von Ars): Liebe die Armut, um frei zu sein
Der Pfarrer von Ars lebte in radikaler Askese. Seine Kleidung war abgetragen, seine Mahlzeiten schlicht, und er teilte alles mit den Armen. Das tat er nicht aus Verachtung für das Materielle, sondern aus Liebe zu Gott. Er wusste: Wer leicht lebt, kommt leichter in den Himmel.
Ratschlag des hl. Johannes Vianney:
Sei asketisch, nicht um dich überlegen zu fühlen, sondern um für Gott und die Menschen verfügbar zu sein. Alles, was du besitzt, kann zur Kette werden. Lebe leicht, liebe viel.
Konkrete Umsetzung:
- Verzichte freiwillig auf einen gewohnten Luxus (Süßigkeiten, übermäßiges Heizen, unnötige Autofahrten).
- Opfere deinen Verzicht als Buße für die Welt auf.
- Lerne zu reparieren, statt wegzuwerfen.
5. Der heilige Johannes Paul II.: Menschliche und geistliche Ökologie
In seiner Enzyklika Centesimus Annus und vielen Ansprachen warnte Johannes Paul II. vor den Schäden an der Natur durch eine utilitaristische Sicht des Menschen. Er betonte aber auch: Es gibt keine wahre Ökologie ohne eine Ökologie des Herzens – das heißt: Ohne einen Menschen, der mit Gott und sich selbst versöhnt ist, wird die Welt weiter ausgebeutet werden.
„Der Respekt vor dem Leben, besonders dem menschlichen Leben, ist der erste Schritt zu einem rechten Umgang mit der Schöpfung.“ (Johannes Paul II., Evangelium Vitae)
Ratschlag des hl. Johannes Paul II.:
Schütze das Leben in all seinen Formen, besonders das menschliche. Handle mit moralischer Verantwortung. Erziehe zum Respekt, zur Solidarität und zum Dienst.
Konkrete Umsetzung:
- Setze dich für das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod ein.
- Sei achtsam im Umgang mit Ressourcen: Wasser, Energie, Papier.
- Lehre Kinder Dankbarkeit und Sorgfalt im Umgang mit Dingen.
Eine theologische Sicht: Was ist ökologische Askese?
Aus katholischer Sicht ist ökologische Askese nicht bloß ein bescheidener Lebensstil — sie ist ein konkreter Ausdruck des Gebots der Liebe. Die Welt wurde dem Menschen anvertraut, damit er sie „bebaue und hüte“ (Genesis 2,15), nicht damit er sie bedenkenlos ausbeutet. Die Erbsünde hat diese Harmonie zerbrochen, aber in Christus kann sie wiederhergestellt werden.
Askese zu leben heißt auch, Buße zu tun. In einer Welt, die durch Übermaß und Verschwendung verwundet ist, hat jedes kleine Opfer, das aus Liebe gebracht wird, eine erlösende Kraft. Der Christ beschränkt sich nicht darauf, „nicht zu verschmutzen“ – er macht sein Leben zu einer Liturgie, einer gelebten Eucharistie.
Pastoraler Praxisleitfaden für heutige ökologische Askese:
- Ökologisches Gewissen erforschen
- Bin ich dankbar für das, was ich habe?
- Kaufe ich aus Notwendigkeit oder aus Impuls?
- Wie viele Ressourcen verbrauche und verschwende ich täglich?
- Einfache, konkrete persönliche Vorsätze
- Vermeide Plastik, recycle, kaufe regional.
- Schalte Licht und Geräte aus, wenn sie nicht gebraucht werden.
- Bete vor dem Konsum als bewusster Akt.
- Geistliche Dimension
- Bringe deine ökologischen Opfer als Liebesakte dar.
- Nimm an Aufräumaktionen oder Gemeinschaftsgärten teil oder hilf Bedürftigen.
- Betrachte die Schöpfung als „natürliche Kathedrale“, in der Gott spricht.
- Familie und Gemeinschaft
- Lehre Kinder den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.
- Feiere mit Mäßigung: weniger Verschwendung bei Festen, mehr Gemeinschaftsgeist.
- Mache dein Zuhause zu einem kleinen Kloster des Gebets, der Arbeit und des Gleichgewichts.
Schlussfolgerung:
Die Heiligen lebten nicht in der Zeit von Plastik und Klimakrise, aber sie hinterließen uns eine Weisheit, die heute dringlicher ist denn je. Sie verstanden: Wer sich um die Schöpfung kümmert, kümmert sich auch um die Seele. Und wer weniger besitzt – wenn es aus Liebe zu Gott geschieht – wird nicht ärmer, sondern reicher.
Heute braucht die Welt nicht nur Umweltschützer, sondern heilige Ökologen. Männer und Frauen, die evangelische Armut leben, das Leben achten, die Freude an der Einfachheit wiederentdecken und den Schöpfer in allen geschaffenen Dingen betrachten.
„Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes.“ (Römer 8,19)
Vielleicht bist du einer von ihnen.