Eucharistisches Fasten: Warum verzichten Katholiken vor dem Empfang der Kommunion auf Nahrung?

Das eucharistische Fasten ist eine der ältesten und bedeutendsten geistlichen Praktiken der katholischen Kirche. Obwohl es heute nur einen relativ kurzen Verzicht vor dem Empfang der Kommunion umfasst, hat sich diese Disziplin im Laufe der Geschichte mehrfach verändert. Ihr Wesen bleibt jedoch dasselbe: die angemessene Vorbereitung von Leib und Seele auf den Empfang Christi in der Eucharistie.

Aber warum fasten Katholiken vor der Kommunion? Welche theologische Bedeutung hat diese Praxis, und welche praktischen Auswirkungen hat sie auf das Leben der Gläubigen? In diesem Artikel werden wir die Bedeutung des eucharistischen Fastens, seine biblische Grundlage, seine historische Entwicklung und seine Wichtigkeit im christlichen Leben eingehend untersuchen.


1. Die biblische Grundlage des eucharistischen Fastens

Fasten ist eine geistliche Praxis, die bis in das Alte Testament zurückreicht. Die Propheten, das Volk Israel und sogar Jesus selbst fasteten als Zeichen der Vorbereitung und Demut vor Gott. Im Neuen Testament fastet Christus 40 Tage lang in der Wüste, bevor er seine öffentliche Mission beginnt (vgl. Matthäus 4,2).

Obwohl es in der Heiligen Schrift kein ausdrückliches Gebot zum eucharistischen Fasten gibt, finden sich doch Prinzipien, die es rechtfertigen. Der heilige Paulus ermahnt die Christen, sich mit der richtigen inneren Haltung der Eucharistie zu nähern:

„Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt.“ (1 Korinther 11,28-29)

Diese Stelle zeigt die Bedeutung der ehrfürchtigen und bewussten Vorbereitung auf die Kommunion, die sowohl eine geistige als auch eine körperliche Dimension umfasst.

Zudem spricht Jesus im Johannesevangelium vom „lebendigen Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ (vgl. Johannes 6,51) und betont damit, dass die Eucharistie eine heilige Speise ist und kein gewöhnliches Mahl. Deshalb hat die Kirche bereits in den ersten Jahrhunderten das eucharistische Fasten als eine Möglichkeit eingeführt, dieses große Sakrament zu ehren.


2. Die Geschichte des eucharistischen Fastens: Von den frühen Christen bis heute

a) Die ersten Jahrhunderte

In der Urkirche empfingen die Christen die Eucharistie oft im Rahmen des Herrenmahls (der „Agape“). Mit der Zeit setzte sich jedoch die Norm durch, die Kommunion in einem Zustand größerer Reinheit und Ehrfurcht zu empfangen, was zur Einführung des Fastens vor der Messe führte.

b) Das Mittelalter und die Regel des Fastens ab Mitternacht

Im Mittelalter wurde das eucharistische Fasten strenger. Es wurde die Regel eingeführt, dass man ab Mitternacht bis zum Empfang der Kommunion keinerlei Nahrung oder Getränke zu sich nehmen durfte. Diese Disziplin betonte die Ehrfurcht vor der Eucharistie und die geistige Vorbereitung der Gläubigen.

c) Das 20. Jahrhundert: Verkürzung der Fastenzeit

Im Jahr 1953 änderte Papst Pius XII. die Regel des eucharistischen Fastens und verkürzte es auf drei Stunden vor der Kommunion. 1964 reduzierte Papst Paul VI. es weiter auf nur eine Stunde – eine Norm, die bis heute im Codex des Kirchenrechts (can. 919) gültig ist.

Diese Verkürzung der Fastenzeit wurde eingeführt, um den Zugang zur Eucharistie zu erleichtern, ohne für die Gläubigen ein Hindernis darzustellen, insbesondere in einer Welt, in der Abendmessen und die Anforderungen der Arbeitswelt berücksichtigt werden mussten.


3. Die geistliche Bedeutung des eucharistischen Fastens

Über die bloße Einhaltung einer kirchlichen Vorschrift hinaus hat das eucharistische Fasten eine tiefgreifende geistliche Bedeutung:

a) Ein Ausdruck der Ehrfurcht und Heiligkeit

Das Fasten hilft uns, uns bewusst zu machen, dass die Eucharistie keine gewöhnliche Nahrung ist. Sie ist der Leib, das Blut, die Seele und die Gottheit Christi. Indem wir vor dem Empfang auf Nahrung verzichten, verkünden wir mit unserem eigenen Körper, dass wir uns auf himmlische Speise vorbereiten.

b) Ein Akt der Demut und Umkehr

Das Fasten vor der Kommunion ist ein Akt der Demut, durch den wir anerkennen, dass wir Reinigung benötigen, bevor wir den Herrn empfangen. Es ist auch eine Form der Umkehr, die uns hilft, unser Herz auf Christus auszurichten.

c) Eine Vereinigung mit dem Opfer Christi

Das eucharistische Fasten erinnert uns an das Opfer Christi am Kreuz. Indem wir auf Nahrung verzichten, vereinen wir uns geistlich mit seinem Leiden und bereiten uns darauf vor, die Früchte seines Opfers zu empfangen.


4. Praktische Anwendungen des eucharistischen Fastens im christlichen Leben

Über den bloßen Verzicht auf Nahrung hinaus kann das eucharistische Fasten ein kraftvolles Mittel des geistlichen Wachstums sein. Hier sind einige Möglichkeiten, es bewusster zu leben:

a) Innere Vorbereitung: Gebet und Gewissensprüfung

Es genügt nicht, nur körperlich zu fasten. Wichtig ist, dass das Fasten von einer geistlichen Vorbereitung begleitet wird. Vor dem Empfang der Kommunion sollten wir Zeit für Gebet und Gewissenserforschung einplanen.

b) Das Fasten als kleines Opfer darbringen

Das Fasten kann als kleine Buße für die eigenen Sünden und die Sünden der Welt dargebracht werden. So vereinen wir uns noch enger mit dem Opfer Christi.

c) Das Fasten auch auf das Innere ausweiten

Es geht nicht nur darum, auf Nahrung zu verzichten. Wir können auch ein „inneres Fasten“ praktizieren, indem wir Ablenkungen und weltliche Dinge vor der Messe meiden. Zum Beispiel könnten wir auf soziale Medien verzichten oder unnötige Gespräche vermeiden, um uns auf Gott zu konzentrieren.


5. Abschließende Überlegungen: Wie können wir das eucharistische Fasten heute neu wertschätzen?

Heute hat das eucharistische Fasten für viele Katholiken an Bedeutung verloren. Da es nur noch eine Stunde dauert, wird sein tieferer Sinn manchmal vergessen. Um es wieder bewusst zu leben, können wir:

  1. Uns bewusst machen, dass es nicht nur eine Regel ist, sondern ein Akt der Liebe zu Christus.
  2. Es mit Hingabe und nicht nur aus Pflichtbewusstsein befolgen.
  3. Weitere Formen der Vorbereitung einbeziehen, wie Gebet und häufige Beichte.

Jesus ruft uns dazu auf, ihn mit einem bereiten und reinen Herzen zu empfangen. Das eucharistische Fasten erinnert uns daran, dass die Kommunion die heiligste Begegnung ist, die wir in diesem Leben haben können. Mögen wir es immer mit der Ehrfurcht und Liebe leben, die es verdient.

„Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.“ (Matthäus 5,6)

Möge unser Fasten vor der Eucharistie stets ein Ausdruck unseres Hungers und Durstes nach Gott sein.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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