Die Geistliche Lauheit: Der Stille Feind des Gebets

Im geistlichen Leben gibt es nur wenige Dinge, die so tückisch und gefährlich sind wie die geistliche Lauheit. Dieser Zustand, der sich oft schleichend und allmählich zeigt, wird zu einem ernsthaften Hindernis für unsere Beziehung zu Gott und insbesondere für das Gebetsleben. Im Gegensatz zu offensichtlichen Glaubensprüfungen wirkt die Lauheit als stiller Feind, der den Eifer und die innige Verbindung mit dem Herrn ersticken kann. In diesem Artikel werden wir untersuchen, was geistliche Lauheit ist, welche theologische Bedeutung sie hat, wie man sie erkennt und – vor allem – wie man sie im Alltag bekämpfen kann.

Was ist geistliche Lauheit?

Geistliche Lauheit ist ein Zustand der Mittelmäßigkeit im christlichen Leben, der durch einen Mangel an Eifer, Leidenschaft und Engagement gegenüber Gott gekennzeichnet ist. Es ist ein Zustand, in dem die Seele weder ganz kalt noch von Liebe zu Gott entflammt ist. Im Buch der Offenbarung warnt Jesus die Gemeinde von Laodizea eindringlich:

„Ich kenne deine Werke: Du bist weder kalt noch heiß. Ach, dass du kalt oder heiß wärest! Weil du aber lau bist und weder heiß noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund“ (Offb 3,15-16).

Diese Worte unterstreichen die Schwere der geistlichen Lauheit. Es handelt sich nicht nur um eine Phase von Müdigkeit oder Motivationslosigkeit, sondern um einen Zustand der Gleichgültigkeit, der unser Heil gefährden kann.

Historische und theologische Wurzeln der geistlichen Lauheit

Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich Heilige und Theologen intensiv mit diesem geistlichen Leiden auseinandergesetzt. Der heilige Thomas von Aquin verband es mit der Sünde der Trägheit (Acedia), einer geistigen Trägheit, die die Seele dazu bringt, vor dem Guten zu fliehen. Lauheit ist zwar nicht immer eine schwere Sünde, kann jedoch fruchtbaren Boden für andere Sünden bieten, wie die Vernachlässigung geistlicher Pflichten oder den Mangel an Liebe zum Nächsten.

Der heilige Johannes vom Kreuz beschrieb dieses Phänomen als eine schlecht gelebte „dunkle Nacht der Seele“, in der die Seele, anstatt sich der Vereinigung mit Gott zu nähern, aufgrund von Entschlossenheitsmangel und mangelnder Hingabe stagniert. Ebenso sah die heilige Teresa von Ávila die Lauheit als Hindernis, das die Seele daran hindert, die tieferen „Wohnungen“ der Inneren Burg zu erreichen.

Anzeichen geistlicher Lauheit

Die geistliche Lauheit in unserem Leben zu erkennen, ist nicht immer einfach, da sie sich oft hinter Routinen und Rechtfertigungen verbirgt. Hier sind einige Anzeichen, die darauf hindeuten können, dass wir in diesen Zustand geraten:

  1. Mechanisches oder fehlendes Gebet: Das Gebet verliert seine Lebendigkeit und wird zu einer routinemäßigen, bedeutungslosen Handlung.
  2. Mangelnde Begeisterung für die Dinge Gottes: Spirituelle Aktivitäten wie der Besuch der Messe, das Lesen der Bibel oder die Beichte erscheinen mehr als Verpflichtungen denn als Gelegenheiten zur Begegnung mit Gott.
  3. Relativierung der Sünde: Die Schwere der Sünde wird heruntergespielt, und Verhaltensweisen, die uns von der Gnade entfernen, werden rationalisiert.
  4. Interessenlosigkeit gegenüber dem Nächsten: Nächstenliebe und Dienst an anderen verlieren ihre Priorität im täglichen Leben.
  5. Glaube, der Komfort sucht: Ein Leben, das auf Bequemlichkeit ausgerichtet ist und Opfer sowie notwendige Entbehrungen für das geistliche Wachstum vermeidet.

Ursachen der geistlichen Lauheit

Lauheit kann verschiedene Ursachen haben, und es ist entscheidend, diese zu erkennen, um sie zu überwinden:

  • Routine und Monotonie: Wenn unsere spirituellen Praktiken sich wiederholen, können sie ihre tiefere Bedeutung verlieren.
  • Angst vor Hingabe: Lauheit entsteht oft aus der Angst, sich Gott ganz hinzugeben, aus Furcht davor, was Er von uns verlangen könnte.
  • Ablenkungen der Welt: Wir leben in einer Gesellschaft, die Individualismus, Materialismus und Hedonismus fördert – Werte, die den geistlichen Eifer ersticken.
  • Mangel an geistlicher Bildung: Ein oberflächlicher Glaube, der nicht durch die Schrift genährt oder durch die Lehren der Kirche vertieft wird, ist anfälliger für Lauheit.

Die Auswirkungen der Lauheit auf das Gebetsleben

Das Gebet ist das Thermometer unseres geistlichen Lebens. Wenn wir lau sind, leidet unser Gebetsleben sofort darunter. Es kann monoton, zerstreut oder gar nicht mehr existent werden. Lauheit entfernt uns von der lebendigen Erfahrung der Liebe Gottes und verwandelt das Gebet in eine leere Handlung.

Jesus betonte die Bedeutung von Ausdauer und Eifer im Gebet:

„Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt; der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt 26,41).

Wenn wir die Lauheit in unserem Leben zulassen, werden wir anfälliger für Versuchungen und verlieren die Kraft, ihnen zu widerstehen.

Wie man geistliche Lauheit bekämpft

Zum Glück ist die Lauheit kein unumkehrbarer Zustand. Mit der Gnade Gottes und bewussten Anstrengungen können wir unseren Glauben und unser Gebetsleben wiederbeleben. Hier sind einige praktische Strategien:

  1. Die Sakramente empfangen: Die Beichte und die Eucharistie sind kraftvolle Quellen der Gnade, die unseren geistlichen Eifer erneuern können.
  2. Vertiefung in Gottes Wort: Das meditative Lesen der Schrift hilft uns, die Stimme Gottes zu hören und unser Leben auf seinen Willen auszurichten.
  3. Das Gebet erneuern: Verschiedene Formen des Gebets (Anbetung, Lectio Divina, Rosenkranz etc.) können unsere Beziehung zu Gott wiederbeleben.
  4. Nächstenliebe üben: Sich selbst zu überwinden und anderen zu dienen, entzündet die Liebe zu Gott und dem Nächsten neu.
  5. Geistliche Begleitung suchen: Ein geistlicher Begleiter kann uns helfen, unsere Kämpfe zu erkennen und uns auf einen Weg größerer Hingabe zu führen.
  6. Kleine Disziplinen anwenden: Fasten, Selbstüberwindung und andere asketische Praktiken erinnern uns daran, dass unser Leben nicht auf Genuss, sondern auf Gott ausgerichtet ist.

Ein Aufruf zur ständigen Umkehr

Der Kampf gegen die geistliche Lauheit ist letztlich ein Aufruf zu ständiger Umkehr. Gott wird niemals müde, uns zu suchen und uns seine Liebe anzubieten, auch wenn wir uns von ihm entfernen. In den Worten des heiligen Augustinus:

„Du hast uns für dich geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“

Diese innere Unruhe sollte uns dazu treiben, Gott jeden Tag mit erneuerter Liebe zu suchen.

Fazit

Die geistliche Lauheit ist ein stiller Feind, aber kein unbesiegbarer. Mit Demut, Ausdauer und der Hilfe der göttlichen Gnade können wir diesen Zustand überwinden und ein volles christliches Leben führen, das von Freude und Eifer erfüllt ist. Jetzt ist die Zeit, unsere Beziehung zu Gott wiederzubeleben, die Flamme unserer Liebe zu ihm neu zu entfachen. Mögen unsere Gebete weder lau noch routiniert sein, sondern lebendige Begegnungen mit dem Herrn. Auf diesem Weg sollten wir immer daran denken, dass Jesus an unserer Seite geht und uns zu einer tieferen Gemeinschaft mit ihm einlädt. Werden wir seinem Ruf folgen?

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Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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