Der katholische Glaube ist tief in der reichen Liturgie verwurzelt, die nicht nur unsere Beziehung zu Gott ausdrückt, sondern auch formt. Innerhalb dieses Rahmens nimmt die Epiklese einen zentralen Platz ein, obwohl sie oft von den Gläubigen übersehen wird. Dieser Artikel möchte die Bedeutung, Geschichte und Relevanz der Epiklese beleuchten und zeigen, wie wir ihre tiefe Botschaft in unser tägliches Leben integrieren können.
Was ist die Epiklese?
Das Wort Epiklese stammt aus dem Griechischen (epiklēsis) und bedeutet „Anrufung“ oder „Herbeirufen“. Im Kontext der katholischen Liturgie bezieht es sich speziell auf den Moment im eucharistischen Hochgebet, in dem der Priester mit ausgestreckten Händen den Heiligen Geist anruft, damit er auf die Gaben von Brot und Wein herabkommt und sie in den Leib und das Blut Christi verwandelt.
Die Epiklese ist nicht nur eine Geste oder eine Formel, sondern eine tiefgreifende theologische Realität. Sie ist die Handlung des Heiligen Geistes im Herzen der Eucharistie, des höchsten Sakraments der Kirche. Einfach ausgedrückt, ist dies der Moment, in dem Gott direkt handelt, um die Gaben der Gemeinschaft zu heiligen.
Ein Blick in die Geschichte
Die Epiklese hat ihre Wurzeln in der liturgischen Tradition der frühen Kirche. Bereits in den ersten Jahrhunderten erkannten die Christen die Notwendigkeit, den Heiligen Geist anzurufen, um die sakramentale Wandlung zu bewirken. Besonders in den östlichen Liturgien, wie der des heiligen Johannes Chrysostomos, wurde diese Anrufung bewahrt und in den eucharistischen Gebeten stark hervorgehoben.
Im Westen ist die Epiklese ebenfalls Bestandteil der lateinischen Tradition, auch wenn ihr Ausdruck historisch gesehen weniger explizit war als im Osten. Im Römischen Messbuch erscheint die Epiklese im eucharistischen Hochgebet II, wenn der Priester sagt:
„Sende deinen Geist herab auf diese Gaben und heilige sie, damit sie uns werden zum Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus.“
Obwohl die Formulierungen zwischen den verschiedenen Hochgebeten variieren, bleibt das Wesentliche dasselbe: der Heilige Geist wird angerufen, um das Werk der Verwandlung und Heiligung zu vollziehen.
Die theologische Bedeutung der Epiklese
Die Epiklese offenbart eine zentrale Wahrheit unseres Glaubens: Gottes Handeln ist immer trinitarisch. In der Eucharistie empfängt der Vater unser Opfer durch den Sohn, doch es ist der Heilige Geist, der das Wunder der Wandlung vollzieht. Dieser trinitarische Akt ist keine bloße Formalität, sondern eine Teilhabe am Geheimnis der göttlichen Gemeinschaft.
Darüber hinaus betont die Epiklese, dass die liturgische Handlung nicht allein das Werk des Priesters oder der versammelten Gemeinschaft ist. Es ist Gottes Werk. Diese Erkenntnis lädt uns zur Demut und Ehrfurcht ein: Nicht wir machen Christus in der Eucharistie gegenwärtig, sondern der Heilige Geist, der auf unsere Anrufung hin handelt.
Praktische Anwendungen: Die Epiklese in unserem Alltag
Wie können wir als Gläubige die Bedeutung der Epiklese in unser tägliches Leben einbringen? Hier sind einige praktische Überlegungen:
- Den Heiligen Geist regelmäßig anrufen
Die Epiklese lehrt uns, wie wichtig es ist, den Heiligen Geist nicht nur in der Liturgie, sondern in allen Bereichen unseres Lebens anzurufen. Vor wichtigen Entscheidungen, zu Beginn des Tages oder in Momenten des Konflikts können wir ein einfaches Gebet sprechen:„Komm, Heiliger Geist, erfülle mein Herz und verwandle mein Leben.“ - Gottes Gegenwart im Alltag erkennen
So wie der Geist Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt, kann er auch unser gewöhnliches Leben in eine heilige Gabe verwandeln. Indem wir unsere Arbeit, Freuden und Leiden Gott darbringen, nehmen wir an dieser Dynamik der Verwandlung teil. - In Gemeinschaft leben
Die Epiklese erinnert uns daran, dass wir unser geistliches Leben nicht von unseren Beziehungen zu anderen trennen können. Der Heilige Geist vereint uns als Gemeinschaft, stattet uns mit den Gaben aus, die wir brauchen, um die Kirche aufzubauen, und fordert uns auf, in Gemeinschaft zu leben. Das bedeutet, Spaltungen zu überwinden, Versöhnung zu suchen und für Einheit in unseren Familien, Pfarreien und Gemeinden zu arbeiten. - Ehrfurcht in der Liturgie kultivieren
Das Verständnis der Epiklese kann unsere Teilnahme an der Eucharistie bereichern. Im Moment der Anrufung können wir uns geistlich mit dem Priester verbinden und den Heiligen Geist bitten, nicht nur die Gaben auf dem Altar zu verwandeln, sondern auch unsere Herzen, damit wir Christus tiefer empfangen können.
Die Epiklese und die heutige Welt
In einer Welt, die oft auf schnelle Lösungen und Selbstgenügsamkeit setzt, erinnert uns die Epiklese an unsere Abhängigkeit von Gott. Wir leben in einer Gesellschaft, die das Geheimnisvolle und das Heilige oft übersieht, doch die Anrufung des Heiligen Geistes lädt uns ein, uns der verwandelnden Kraft Gottes zu öffnen, die nicht nur in der Liturgie, sondern auch in der Geschichte und in unserem persönlichen Leben wirkt.
Papst Franziskus betont immer wieder die Bedeutung des Heiligen Geistes im Leben der Kirche und in ihrer missionarischen Arbeit. In seinem Schreiben Evangelii Gaudium sagt er:
„Der Heilige Geist… erinnert uns daran, dass wir eine Kirche in Bewegung sind, eine Kirche, die keine Angst hat, das Evangelium an die Ränder zu bringen.“
So ist die Epiklese auch ein missionarischer Ruf. Indem wir den Heiligen Geist anrufen, bereiten wir uns darauf vor, Werkzeuge seines Handelns in der Welt zu sein und Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu denen zu bringen, die sie am meisten brauchen.
Fazit: Ein Herz offen für den Geist
Die Epiklese ist weit mehr als ein liturgischer Moment; sie ist eine Einladung, mit einem Herzen zu leben, das immer offen für den Heiligen Geist ist. Sie erinnert uns daran, dass Gott ständig in unserem Leben wirkt, unsere Schwächen in Stärken und unsere Zerbrechlichkeit in Heiligkeit verwandelt.
Wenn wir an der Eucharistie teilnehmen, lassen wir uns von der Epiklese inspirieren, den Heiligen Geist in allen Bereichen unseres Lebens anzurufen. Nur so können wir wahre Jünger Christi werden, verwandelt durch die göttliche Liebe und in die Welt gesandt als lebendige Zeugen seiner Gnade.
Möge jedes Mal, wenn wir beten: „Komm, Heiliger Geist“, unser Vertrauen darauf wachsen, dass Gott gegenwärtig ist, in uns und durch uns wirkt. Auf diese Weise wird unser Leben zu einer fortwährenden Epiklese, einer ständigen Anrufung der verwandelnden Kraft Gottes.