WENN DIE OSTERKERZE ERLÖSCHT: Das Schweigen des Lichts und das Echo der Hoffnung

Einleitung: Die Flamme, die über das Feuer hinaus spricht

In der gewaltigen Schönheit der katholischen Liturgie gibt es Zeichen, die selbst im Schweigen ewige Wahrheiten verkünden. Eines davon ist die Osterkerze – jene große weiße Kerze, die in der heiligen Osternacht die Dunkelheit durchdringt, wie Christus die Fesseln des Todes bricht. Doch am Pfingstfest oder in manchen Traditionen am Ende der Osterzeit wird dieses Licht gelöscht. Und das ist keine belanglose Geste. Was bedeutet das Erlöschen der Osterkerze? Was sagt uns die Kirche durch diesen zutiefst symbolischen Akt? Und wie kann uns das in unserem Alltag helfen?

Dieser Artikel ist eine Einladung, diesen Moment in der Tiefe zu betrachten – damit nicht Hoffnung, Glaube und der Auftrag, den Christus uns anvertraut hat, mit der Flamme erlöschen. Denn wenn die Osterkerze verlischt, endet zwar etwas… aber vieles beginnt erst.


1. Die Osterkerze: Licht, das in der Nacht der Auferstehung entzündet wird

Ursprung und Geschichte

Die Osterkerze hat ihre Wurzeln in den frühesten Traditionen der Kirche. Schon in den ersten Jahrhunderten entzündeten Christen in der Osternacht eine große Kerze, um zu bezeugen, dass Christus das Licht der Welt ist (vgl. Joh 8,12). Dieses Licht wurde feierlich gesegnet, und alle anderen Kerzen daran entzündet – als Zeichen dafür, dass jeder Christ sein Licht von Christus empfängt.

Die heutige Liturgie bewahrt diesen Ritus mit großer Würde: In der Dunkelheit der Kirche entzündet der Priester die Osterkerze am neuen Feuer und ruft dreimal: „Lumen Christi“ (Licht Christi), worauf das Volk antwortet: „Deo gratias“ (Dank sei Gott).

Die Kerze ist geschmückt mit einem Kreuz, den Buchstaben Alpha und Omega und der Jahreszahl – ein sichtbares Zeugnis, dass Christus Herr der Zeit und der Geschichte ist.


2. Theologie der Kerze: Ein Christus, der brennt, ohne zu verzehren

Lebendiges Licht der Auferstehung

Die Osterkerze ist nicht einfach eine große Kerze: Sie ist das sichtbare Symbol des auferstandenen Christus. Ihre Flamme steht für den Sieg des Lebens über den Tod, und ihre dauerhafte Gegenwart während der 50 Tage der Osterzeit erinnert uns daran, dass wir berufen sind, als Kinder des Lichts zu leben.

„Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts!“
— Epheser 5,8

Während dieser Zeit bleibt die Kerze bei jeder Messe entzündet, sichtbar im Heiligtum – majestätisch, still. Neben ihr werden Taufen, Firmungen und selbst Begräbnisse gefeiert, als Zeichen dafür, dass das ewige Leben für die Erlösten in Christus schon begonnen hat.

Osterfeuer und missionarisches Feuer

Das in der Osternacht entzündete Feuer ist kein Dekor. Es ist ein neues, gesegnetes Feuer, ein Feuer der Erneuerung, der Reinigung und der Auferstehung. Kein Zufall, dass die ersten Christen Christus mit dem brennenden Dornbusch verglichen (vgl. Ex 3,2): ein Feuer, das brennt, ohne zu verzehren – eine göttliche Gegenwart, die verwandelt, ohne zu zerstören.


3. Warum wird die Osterkerze gelöscht?

Das Ende einer Etappe, der Beginn einer Sendung

Die Osterkerze wird am Ende der Osterzeit gelöscht, also nach den 50 Tagen, die auf den Ostersonntag folgen. In vielen Kirchen geschieht dies bei der Feier von Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes.

Warum wird sie gelöscht? Weil Christus in den Himmel aufgefahren ist und nun sein Licht in uns durch die Gnade des Heiligen Geistes lebt. Die Kerze erlischt, aber wir sollen unsere eigene innere Flamme entzünden, um das Werk des Auferstandenen in der Welt fortzuführen.

„Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.“
— Matthäus 5,14

Es ist, als wolle die Kirche uns sagen: Christus ist auferstanden, aber jetzt bist du an der Reihe, sein Licht zu tragen. Die Kerze erlischt – doch deine Seele soll weiterbrennen.


4. Theologisch-pastorale Anleitung: Das Symbol der Kerze leben

A. Ostern jeden Tag verinnerlichen

Erlebe die Auferstehung nicht nur als vergangenes Ereignis. Ostern ist nicht nur ein Fest, sondern eine Lebensweise. Angesichts des Erlöschens der Kerze frage dich:

  • Wo brauche ich heute Licht in meinem Leben?
  • Bin ich ein Träger der Hoffnung für meine Mitmenschen?
  • Oder lasse ich zu, dass die Dunkelheit der Welt meinen Glauben löscht?

Die Auferstehung ist ein innerer Aufbruch. Christus erhebt sich auch in deiner persönlichen Geschichte.

B. Die Sendung des Geistes annehmen

Die Kerze verlischt, weil der Geist die Kirche entzündet. Himmelfahrt und Pfingsten senden uns in die Welt – nicht um es bequem zu haben, sondern um Zeugen zu sein.

  • Bete jeden Morgen zum Heiligen Geist: „Komm, erleuchte meinen Tag“.
  • Lass das Wort Gottes deine Lampe sein (vgl. Ps 119,105).
  • Sei eine lebendige Kerze: mit Geduld, Eifer, Barmherzigkeit.

C. Licht sein im Alltag

Die Welt braucht heute mehr denn je Lichter. Keine Theorien oder leeren Worte. Sie braucht Menschen, die leuchten – glaubwürdig, authentisch. Licht zu sein bedeutet nicht, für sich selbst zu glänzen, sondern andere zu Christus zu führen.

  • In deiner Familie: Bist du Quelle der Einheit oder der Spaltung?
  • In der Arbeit: Bist du Spiegel von Gerechtigkeit und Dienst?
  • In sozialen Netzwerken: Verbreitest du Finsternis oder das Evangelium?

5. Eine Botschaft für dunkle Zeiten

In einer Welt, erschüttert von Krieg, Spaltung, Nihilismus und geistiger Leere, scheint das Erlöschen der Kerze eine bittere Metapher: Hat Christus uns verlassen? Sind wir allein?

Und doch: Christen leben nicht von leeren Symbolen, sondern von ewigen Realitäten. Die Kerze erlischt – ja. Aber nicht, weil das Licht verschwunden ist, sondern weil es jetzt in dir leben soll.

„Ich nenne euch nicht mehr Knechte… Ich nenne euch Freunde.“
— Johannes 15,15

Christus vertraut sich dir an. Wie Maria Magdalena, wie Petrus, wie Paulus – du bist jetzt die lebendige Kerze in der Dunkelheit des 21. Jahrhunderts.


6. Praktische Anwendungen: Wie das Erlöschen der Osterkerze gelebt werden kann

Ein geistliches Oster-Resümee ziehen

Frage dich:

  • Welche Früchte hat mir dieses Osterfest gebracht?
  • Wo habe ich Gottes „Pascha“, seinen Durchgang, gespürt?
  • Was muss ich noch loslassen, umwandeln, erneuern?

Tu dies im Gebet – vielleicht vor dem Allerheiligsten. Dort wartet Christus, um dir zu sagen: „Mein Licht ist in dir“.

Taufversprechen erneuern

In der Osternacht erneuern wir unser Taufversprechen. Am Ende der Osterzeit ist es gut, darauf zurückzublicken:

  • Dem Bösen widersagen,
  • Den katholischen Glauben bekennen,
  • Nach dem Evangelium leben.

Du kannst es sogar aufschreiben und an einem sichtbaren Ort platzieren.

Für andere eine Osterkerze sein

Mit konkreten Taten:

  • Einen Kranken besuchen,
  • Zuhören, ohne zu urteilen,
  • Jemandem helfen, der in Not ist,
  • Mit jemandem beten.

Denk daran: Eine einzige Kerze kann viele andere entzünden, ohne selbst zu verlöschen.


Schlusswort: Die Kerze erlischt – aber du bist berufen zu brennen

Wenn die Osterkerze erlischt, endet Ostern nicht… es beginnt, sich auszubreiten. Eine sichtbare Flamme erlischt, damit Tausende unsichtbarer entfacht werden. Christus ist nicht mehr körperlich bei uns, aber er ist in uns – und durch uns in der Welt.

Jedes Jahr stellt dir dieser liturgische Akt die Frage: Bist du bereit, Licht zu sein?
Bist du bereit, ein wenig zu brennen, zu wärmen, zu erleuchten, dich stören zu lassen, zu leuchten?

Die Kerze erlischt… aber du kannst brennen.
Nicht aus Stolz, sondern aus Liebe.
Nicht zur Eitelkeit, sondern damit andere durch dich Gott finden.


„Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“
Johannes 1,5


Wirst du dieses Licht weiter in dir brennen lassen?
Denn auch wenn die Osterkerze erlischt… Ostern endet niemals im Herzen dessen, der glaubt.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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