„Itinerarium Burdigalense“: Eine spirituelle Pilgerreise zu den Ursprüngen christlicher Tradition

Einführung: Ein historischer und geistlicher Schatz

In einer hektischen Welt, in der der Glaube oft oberflächlich gelebt wird, kann die Wiederentdeckung unserer christlichen Wurzeln wie ein Leuchtfeuer sein, das unseren Weg erhellt. Das Itinerarium Burdigalense (oder Bordeaux-Itinerar) ist einer dieser verborgenen Schätze, der uns mit den ersten Pilgern verbindet – jenen mutigen Seelen, die sich von glühendem Glauben getrieben auf den Weg ins Heilige Land machten, um den Spuren Christi zu folgen.

Verfasst im Jahr 333 n. Chr. von einem anonymen Pilger aus Bordeaux, ist dies der älteste erhaltene Bericht einer christlichen Pilgerreise. Es ist nicht einfach ein Reisetagebuch, sondern ein Glaubenszeugnis, ein geistlicher Führer, der uns zeigt, wie die ersten Christen ihre Frömmigkeit lebten.

In diesem Artikel werden wir untersuchen:

  1. Den historischen Kontext des Itinerarium Burdigalense
  2. Seine theologische und geistliche Bedeutung
  3. Eine praktische Anleitung, um die Spiritualität der Pilgerreise heute zu leben
  4. Wie man diese Lehren in der Feier der Karwoche anwenden kann

1. Das Itinerarium Burdigalense: Geschichte und Bedeutung

Was genau ist es?

Das Itinerarium Burdigalense ist ein Manuskript, das die Reise eines Pilgers von Bordeaux nach Jerusalem beschreibt. Es listet die Routen, die durchquerten Städte und – am wichtigsten – die heiligen Stätten auf, die mit dem Leben Jesu verbunden sind.

Im Gegensatz zu späteren Berichten (wie dem der Egeria im 4. Jh.) ist dieser Text knapp, fast wie ein Logbuch mit Entfernungen und Stationen. Doch sein Wert liegt in seinem Alter und darin, wie er die Frömmigkeit der frühen Christen gegenüber den loca sancta (heiligen Orten) widerspiegelt.

Der anonyme Pilger: Wer war er?

Sein Name ist unbekannt, doch seine Reise spricht von einem durstigen Herzen, das nach Gott verlangte. In einer Zeit, als das Christentum gerade erst aus dem Untergrund auftauchte (nach dem Mailänder Edikt 313 n. Chr.), unternahm dieser Pilger eine gefährliche Reise – ein Zeichen, dass der Wunsch, die Orte zu betreten, wo Christus lebte, starb und auferstand, bereits tief verwurzelt war.

Die Route: Ein Weg des Glaubens

Die Reiseroute umfasst:

  • Von Bordeaux nach Konstantinopel: über Italien und den Balkan.
  • Von Konstantinopel ins Heilige Land: mit Stationen in Antiochia, Tyrus und Cäsarea.
  • Jerusalem und seine heiligen Stätten: Ölberg, Heiliges Grab, Abendmahlssaal, Bethlehem usw.

Faszinierend ist, dass jeder Ort – trotz der Kürze des Texts – eine Bibelstelle evoziert. Die Geographie wird so zur „Theographie“ (Gottes Schrift).


2. Theologische Bedeutung: Warum ist es heute relevant?

Pilgern als lebendiges Sakrament

Der Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 1674) beschreibt Pilgerreisen als „Zeichen unseres Weges zum Haus des Vaters“. Das Itinerarium Burdigalense erinnert uns: Pilgern ist kein religiöser Tourismus, sondern ein Glaubensakt, der:

  • Uns mit der Heilsgeschichte verbindet (wie Abraham, der aufbrach, ohne zu wissen wohin – Hebr 11,8).
  • Uns dem pilgernden Christus angleicht (Lk 9,58: „Die Füchse haben Höhlen, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“).
  • Unsere Bekehrung erneuert, denn jeder äußere Weg soll einen inneren widerspiegeln.

Jerusalem: Herzstück des Pascha-Mysteriums

Der Pilger aus Bordeaux erreicht Jerusalem in einer Schlüsselepoche – kurz nachdem Helena (Konstantins Mutter) das Wahre Kreuz entdeckt und die ersten Basiliken erbaut worden waren. Sein Bericht lässt erahnen, wie die Liturgie dort bereits gefeiert wurde, besonders in der Karwoche.


3. Praktische Anleitung: Wie man den Geist des Itinerarium heute lebt

A. Die innere Pilgerreise: Ein Weg der Seele

Nicht jeder kann ins Heilige Land reisen, doch wir sind alle gerufen, Pilger im Geist zu sein.

Geistliche Übung:

  1. Wählen Sie einen „heiligen Ort“ in Ihrem Leben (eine Kirche, ein Kruzifix zuhause, ein Gebetsmoment).
  2. Meditieren Sie einen Bibeltext dazu (z.B. Golgota – Joh 19,17-30).
  3. Bringen Sie ein Opfer (einen Spaziergang, Fasten, eine Barmherzigkeitstat) als Zeichen Ihrer Pilgerschaft.

B. Karwoche: Christi Weg neu gehen

Das Itinerarium nennt Schlüsselorte des Leidens. Wir können dem anonymen Pilger folgen:

Palmsonntag:

  • Lesung: Mt 21,1-11 (Einzug in Jerusalem).
  • Aktion: Segnen Sie Palmzweige und bedenken Sie, wie wir Christus in unser Herz aufnehmen.

Gründonnerstag:

  • Lesung: Joh 13,1-15 (Fußwaschung).
  • Aktion: Besuchen Sie sieben Kirchen (alte Tradition), um Jesu Weg vom Abendmahlssaal nach Getsemani nachzuvollziehen.

Karfreitag:

  • Lesung: Joh 18-19 (Passion).
  • Aktion: Beten Sie den Kreuzweg und stellen Sie sich jede Station als Etappe auf dem Pilgerweg des Kreuzes vor.

Karsamstag:

  • Lesung: 1 Petr 3,18-22 (Christus im Grab).
  • Aktion: Bewahren Sie Stille und bereiten Sie Ihr Herz auf die Auferstehung vor.

Ostersonntag:

  • Lesung: Mt 28,1-10.
  • Aktion: Feiern Sie mit Freude wie der Pilger am leeren Grab: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“

Fazit: Ein Ruf, Pilger im 21. Jahrhundert zu sein

Das Itinerarium Burdigalense ist nicht bloß ein historisches Dokument – es ist eine Einladung, unseren Glauben mit derselben Leidenschaft zu leben wie jene ersten Christen. In einer suchenden Welt tragen wir die Gewissheit: Christus ist der Weg (Joh 14,6).

Wie werden Sie antworten?

  • Wenn möglich, besuchen Sie ein Heiligtum oder pilgern Sie.
  • Sonst machen Sie Ihr Zuhause zu einem „heiligen Ort“, wo jeder Tag ein Schritt zu Gott ist.

Möge unsere Reise, wie die des Pilgers aus Bordeaux, uns zur himmlischen Jerusalem führen – unserer wahren Heimat.

„Selig, die in deinem Hause wohnen, Herr: sie loben dich immerdar!“ (Ps 84,5)

Glückliche Pilgerschaft!

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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