„Nicht jeder, der zu mir sagt: ‚Herr, Herr‘, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur der, der den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ (Matthäus 7,21)
Einleitung
Alte Kirchen, mit ihren majestätischen Gewölben, farbenfrohen Glasfenstern und dem heiligen Schweigen, das den Altar umgibt, üben eine kraftvolle Anziehung aus. Sie bieten den perfekten Rahmen für ein traumhaftes Foto, die ideale Kulisse für eine Liebesgeschichte – zumindest aus ästhetischer Sicht. Jedes Jahr entscheiden sich Tausende Paare für eine kirchliche Trauung, nicht wegen des Glaubens, sondern wegen der Schönheit des Ortes, der Familientradition oder des sozialen Drucks. Doch was passiert, wenn das Herzstück des Sakraments fehlt? Was bedeutet eine kirchliche Eheschließung, wenn Christus nicht dabei ist?
Dieser Artikel ist ein spiritueller, lehrreicher und pastoraler Leitfaden, um den wahren Sinn der christlichen Ehe zu verstehen, die Konsequenzen einer bloß äußeren Feier zu beleuchten und jenen Orientierung zu geben, die mehr als ein schönes Bild wollen: ein Leben als christliches Ehepaar auf dem Felsen Christus gegründet (vgl. Matthäus 7,24).
1. Die christliche Ehe: mehr als eine Zeremonie
In der katholischen Sichtweise ist die Ehe weder ein gesellschaftlicher Vertrag noch ein romantisches Symbol. Sie ist ein Sakrament, also ein sichtbares Zeichen der unsichtbaren Gnade Gottes. Wenn sich ein Paar „in der Kirche“ traut, gibt es nicht nur ein öffentliches Versprechen ab, sondern tritt in einen heiligen Bund ein, der die unauflösliche Verbindung zwischen Christus und seiner Kirche widerspiegelt (vgl. Epheser 5,25–32).
Was bedeutet das?
- Eine göttliche Berufung: Die Ehe ist nicht nur eine menschliche Entscheidung, sondern eine Berufung Gottes, die Liebe als Weg zur Heiligkeit zu leben.
- Einheit und Treue: Das „Ja“, das sich die Eheleute geben, ist endgültig und vollständig – bis zum Tod.
- Offenheit für das Leben: Die eheliche Liebe ist naturgemäß auf die Weitergabe des Lebens und die christliche Erziehung der Kinder ausgerichtet.
- Sakramentale Gnade: Gott schenkt den Ehepartnern eine besondere Gnade, um ihre Berufung mit Freude, Geduld und Kraft zu leben.
Fehlen diese Elemente, handelt es sich nicht um eine christliche Ehe, sondern nur um eine äußerliche Feier ohne theologischen Gehalt.
2. Das Phänomen: Hochzeiten wegen der Ästhetik, der Tradition oder des Drucks
Heute wählen viele Paare eine kirchliche Trauung, weil:
- „Es schöner ist“.
- „Es in der Familie immer so war“.
- Die Braut schon immer von einem Einzug in die Kirche im weißen Kleid träumte.
- Die Fotos in der Kirche besser aussehen.
Aber viele dieser Paare:
- Üben den Glauben nicht aus.
- Gehen weder zur Kommunion noch zur Beichte.
- Haben keine Absicht, ihre Kinder im Glauben zu erziehen.
- Sehen die Ehe nicht als Sakrament, sondern als gesellschaftliches Event.
Wo liegt das Problem?
Aus pastoraler Sicht ist dies eine große Gelegenheit zur Evangelisierung. Aber aus sakramentaler Sicht besteht eine ernste Gefahr: die Entweihung des Mysteriums. Ein heiliges Ritual nur als Kulisse zu nutzen, bedeutet, das Heilige zu gebrauchen, ohne den Heiligen zu suchen.
3. Geschichte und Entwicklung: vom Sakrament zum Spektakel
Über Jahrhunderte hinweg wurde die christliche Ehe als tief geistliche Realität erlebt. Selbst in Zeiten großer Unbildung wussten die Gläubigen: In der Kirche zu heiraten bedeutete, den Segen Gottes zu empfangen.
Doch mit der Säkularisierung und dem Mentalitätswandel des 20. Jahrhunderts begann man, die Ehe als persönliches Recht zu betrachten – losgelöst von Gott. Die Kirche, aus Sorge, niemanden auszuschließen, öffnete ihre Türen weiterhin auch für solche, die keinen lebendigen Glauben mitbrachten. Diese gutgemeinte Offenheit förderte eine Art von „sakramentalem Tourismus“: Hochzeiten, Taufen, Erstkommunionen als kulturelle Traditionen – ohne echte Umkehr.
4. Darf die Kirche eine Trauung verweigern?
Ja, in bestimmten Fällen. Der Codex des kanonischen Rechts legt fest, dass bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Eheschließung gültig gefeiert werden kann:
- Beide Verlobten müssen frei und wissentlich zustimmen, ohne Ehehindernisse (z. B. eine frühere nicht annulierte Ehe).
- Sie müssen die Absicht haben, eine christliche Ehe zu führen: in Einheit, Treue, Offenheit für Kinder und Unauflöslichkeit.
Wenn ein Paar ausdrücklich erklärt, es glaube nicht, es werde nicht zur Messe gehen, es wolle keine Kinder oder diese nicht im Glauben erziehen – muss der Pfarrer prüfen, ob ein echter sakramentaler Wille vorhanden ist. Ist dieser nicht gegeben, kann und muss er die Feier aufschieben oder ablehnen.
5. Ein theologischer und pastoraler Leitfaden zur Unterscheidung
A. Für Paare, die ohne Glaubenspraxis heiraten wollen
Seelsorger und Ehevorbereitungsteams sollten:
- Zuhören ohne zu urteilen – oft schlummert ein Glaube, der neu erwachen kann.
- Klar erklären, was das Sakrament ist und was es erfordert.
- Zu einem Weg der Umkehr einladen – Katechese, Gebet, sakramentales Leben.
- In der Wahrheit unterscheiden – wenn kein christlicher Wille vorhanden ist, ist die Feier pastoral nicht vertretbar.
„Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Schweine.“ (Matthäus 7,6).
So hart dieser Vers klingt, erinnert er uns daran: Das Heilige darf nicht profaniert werden.
B. Für gläubige Familien und Freunde
- Für das Brautpaar beten.
- Mit Freude Zeugnis geben von einer Ehe in Christus.
- Sozialem Druck aus leeren Traditionen widerstehen.
- Mit Liebe begleiten – aber ohne Heuchelei.
C. Für die Verlobten selbst
- Fragt euch ehrlich: Wollen wir Christus in unserer Ehe?
- Wenn nicht, habt den Mut, konsequent zu sein – und die Kirche nicht nur als Kulisse zu benutzen.
- Wenn Zweifel bestehen, sucht das Gespräch mit einem guten Priester. Vielleicht ruft euch Gott – ohne dass ihr es bisher bemerkt habt.
6. Was tun, wenn man schon ohne Glauben kirchlich geheiratet hat?
Gott ist unendlich barmherzig. Wenn ihr kirchlich geheiratet habt, ohne wirklich zu glauben, könnt ihr heute einen Weg der Wiederentdeckung beginnen:
- Fangt an, gemeinsam zu beten.
- Geht zur Messe und bildet euch weiter im Glauben.
- Erneuert eure Eheversprechen aus freiem Herzen.
- Erzieht eure Kinder im Glauben, auch wenn ihr ihn erst später entdeckt habt.
Eure Ehe kann sich in ein echtes gelebtes Sakrament verwandeln – selbst nach Jahren geistlicher Dürre.
7. Praktischer Leitfaden: Wie man sich auf eine echte katholische Ehe vorbereitet
Hier ein Schritt-für-Schritt-Leitfaden für Verlobte:
SCHRITT 1: Unterscheidung
- Sind wir bereit, unseren Glauben gemeinsam zu leben?
- Wollen wir unsere Kinder im christlichen Glauben erziehen?
- Sind wir offen für Treue, Kinder und Unauflöslichkeit?
SCHRITT 2: Bildung
- Aktiv an der Ehevorbereitung teilnehmen.
- Beichten und zur Kommunion gehen.
- Die Bedeutung des Sakraments studieren.
SCHRITT 3: Sakramentales Leben
- Regelmäßig die Sonntagsmesse besuchen.
- Gemeinsam beten.
- Regelmäßig beichten.
SCHRITT 4: Kohärente Feier
- Eine Liturgie wählen, die spirituellen Sinn hat – nicht nur ästhetisch ist.
- Übertriebenes vermeiden, das das Heilige verdeckt.
- Familien und Freunde in die religiöse Dimension einbeziehen.
Fazit
In einer schönen Kirche zu heiraten – ohne Glauben und ohne christliche Absicht – ist wie eine Kerze in einem luftdichten Glas zu entzünden: Früher oder später wird sie verlöschen. Wenn sich jedoch äußere Schönheit mit echtem Glauben verbindet, wird die Ehe zu einem dauerhaften Altar der Liebe – und nicht zu einem Postkartenmotiv für soziale Netzwerke.
Die Kirche ist nicht da, um zu verurteilen, sondern um zu begleiten. Aber sie hat auch die Pflicht, das Heilige zu schützen. Deshalb sollte man sich vor einer kirchlichen Hochzeit fragen, ob man bereit ist, jeden Tag katholisch zu leben – und nicht nur für 45 Minuten in einem schönen Gebäude.
Denn eine schöne Kirche garantiert keine glückliche Ehe. Aber eine Ehe auf Christus gegründet verwandelt selbst den schlichtesten Ort in ein Heiligtum der Ewigkeit.