In der Geschichte des 20. Jahrhunderts gibt es nur wenige Figuren, die eine so große moralische Verurteilung erfahren haben wie Adolf Hitler. Sein totalitäres Regime und seine nationalsozialistische Ideologie führten zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust, einem der schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Dennoch haben einige Kreise die Idee verbreitet, dass die katholische Kirche mit dem Nationalsozialismus kollaborierte oder eine zweideutige Beziehung zu Hitler unterhielt. Ist das wahr?
Dieser Artikel soll Licht in die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Hitler-Regime bringen, indem er die historischen Fakten und den theologischen Kontext untersucht, die ihre Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus geprägt haben.
1. War Hitler katholisch?
Rein formal betrachtet wurde Adolf Hitler in der katholischen Kirche getauft und wuchs in einem kulturell katholischen Umfeld in Österreich auf. Doch das macht ihn weder zu einem praktizierenden Katholiken noch zu jemandem, der die Lehre der Kirche befolgte. Tatsächlich zeigte Hitler in seinen Reden und Schriften Verachtung für das authentische Christentum und versuchte, eine Staatsreligion zu fördern, die auf Rasse und Staat basierte.
Trotz einer manchmal zweideutigen Rhetorik (besonders in seinen frühen politischen Jahren) betrachtete Hitler das Christentum als eine Schwäche. In privaten Gesprächen, die im Buch Hitler’s Table Talk (herausgegeben von Martin Bormann) dokumentiert sind, äußerte der Diktator seine Geringschätzung für den christlichen Glauben und bezeichnete ihn als „subversiv“ und „schwach“.
Die nationalsozialistische Propaganda manipulierte christliche Symbole gelegentlich, um Unterstützung zu gewinnen, doch in Wirklichkeit war die NS-Ideologie grundsätzlich antichristlich.
2. Die Haltung der katholischen Kirche gegenüber Hitler
Die katholische Kirche verurteilte die nationalsozialistische Ideologie von Anfang an, insbesondere durch Papst Pius XI. und später Papst Pius XII.
Pius XI. und die Enzyklika Mit Brennender Sorge (1937)
Eine der schärfsten Verurteilungen des Nationalsozialismus kam von der Enzyklika Mit Brennender Sorge („Mit brennender Sorge“), die 1937 von Papst Pius XI. veröffentlicht wurde. Sie wurde auf Deutsch (statt auf Latein) verfasst, um direkt die Gläubigen zu erreichen, und erklärte die Unvereinbarkeit des Nationalsozialismus mit dem christlichen Glauben.
In dieser Enzyklika kritisierte der Papst die Erhebung des Staates über Gott und die Verfolgung der Kirche in Deutschland. Die Enzyklika wurde am Palmsonntag 1937 in allen deutschen Pfarreien verlesen, was Hitler erzürnte und zu einer Verschärfung der Repression gegen die Kirche führte.
Kardinal von Galen: „Der Löwe von Münster“
Einer der mutigsten Gegner des NS-Regimes in Deutschland war Kardinal Clemens August von Galen, Bischof von Münster. In seinen Predigten verurteilte er offen die nationalsozialistische Ideologie, insbesondere deren Eugenik-Politik und die Ermordung von Behinderten im Rahmen des „Aktion T4“-Programms.
Sein Mut inspirierte viele deutsche Katholiken zum Widerstand, und obwohl Hitler erwog, ihn zu verhaften, fürchtete er einen Volksaufstand.
3. Was ist mit Papst Pius XII.?
Eine der häufigsten Anschuldigungen gegen die katholische Kirche ist, dass Papst Pius XII. nicht genug getan habe, um den Holocaust zu stoppen. Doch historische Beweise zeigen, dass Pius XII. Tausende von Juden rettete, indem er diplomatische Kanäle nutzte und Klöster sowie Konvente anordnete, Flüchtlinge aufzunehmen.
Der damalige Oberrabbiner von Rom, Israel Zolli, war so beeindruckt von den Bemühungen von Pius XII., dass er sich nach dem Krieg zum Katholizismus bekehrte und den Namen Eugenio zu Ehren des Papstes annahm (Eugenio Pacelli war der Geburtsname von Pius XII.).
Viele Historiker, darunter jüdische Forscher wie Pinchas Lapide, haben dokumentiert, dass die katholische Kirche unter Pius XII. etwa 800.000 Juden rettete.
4. Die nationalsozialistische Verfolgung der katholischen Kirche
Die Kirche war keineswegs eine Verbündete des Nationalsozialismus, sondern vielmehr eines seiner Hauptziele der Verfolgung.
- Priester und Ordensleute in Konzentrationslagern: Etwa 2.579 katholische Geistliche wurden ins Konzentrationslager Dachau geschickt, wo viele starben.
- Zerstörung katholischer Organisationen: Ab 1933 lösten die Nazis zahlreiche katholische Verbände auf und schränkten die Religionsfreiheit stark ein.
- Ermordung katholischer Führungspersönlichkeiten: Viele Priester und Bischöfe, die sich dem Regime widersetzten, wurden verhaftet und hingerichtet.
Der polnische Franziskanerpater Maximilian Kolbe war ein katholischer Märtyrer, der in Auschwitz sein Leben opferte, um einen anderen Häftling zu retten.
5. Theologische Reflexion
Aus katholischer Sicht war der Widerstand der Kirche gegen den Nationalsozialismus nicht nur politisch, sondern tief theologischer Natur.
- Der Nationalsozialismus als Götzendienst des Staates
- Die NS-Ideologie stellte den Staat und die arische Rasse in den Mittelpunkt und verletzte damit das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ (Exodus 20,3).
- Ablehnung der menschlichen Würde
- Die Kirche lehrt, dass jeder Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist (Genesis 1,27). Die NS-Ideologie leugnete diese Würde für Juden, Behinderte und andere Minderheiten.
- Die christliche Pflicht zum moralischen Widerstand
- Trotz widrigster Umstände leisteten viele Christen mutigen Widerstand. Figuren wie Edith Stein (die heilige Teresia Benedicta vom Kreuz), eine jüdische Konvertitin zum Katholizismus und Karmelitin, die in Auschwitz ermordet wurde, zeugen vom christlichen Glauben in Zeiten der Verfolgung.
Fazit
Die katholische Kirche war nicht Komplizin des Nationalsozialismus, sondern eine seiner wichtigsten Gegnerinnen. Vom Papst Pius XI. bis zu Tausenden von Priestern, Ordensleuten und Laien war der katholische Glaube ein Licht in den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus.
Die Behauptungen über eine Kollaboration zwischen Hitler und der Kirche entbehren historischer Grundlage und basieren oft auf Vorurteilen oder Verzerrungen der Fakten.
Als Katholiken sind wir aufgerufen, unsere Geschichte zu kennen und die Wahrheit zu verteidigen. Der Kampf gegen das Böse und die Verteidigung der menschlichen Würde bleiben bleibende Herausforderungen. Der Mut jener, die dem Nationalsozialismus aus ihrem Glauben heraus widerstanden, inspiriert uns bis heute.
Möge das Zeugnis dieser Märtyrer und Heiligen uns ermutigen, unseren Glauben mit Authentizität und Mut zu leben.