Entdecke die Kraft, die Geschichte und den Himmel, der in diesem zentralen liturgischen Gesang pulsiert
Hast du jemals mitten in der Messe, gleich nachdem der Priester sagt „Durch ihn und mit ihm und in ihm…“, dieses Gänsehautgefühl gespürt, wenn die ganze Gemeinde in einen machtvollen Gesang ausbricht: „Heilig, heilig, heilig…“? Es ist kein bloßes musikalisches Zwischenspiel. Es ist eine Brücke zwischen Erde und Himmel, ein Widerhall der Ewigkeit in unserer Gegenwart. Heute, lieber Bruder, liebe Schwester, wollen wir diesen erhabenen Moment vertiefen: den Heilig-Ruf (Sanctus).
Wir singen nicht allein: Die kosmische Bühne
Stell dir die Szene vor, die der Prophet Jesaja beschreibt – eine der ergreifendsten Visionen der Bibel:
„Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie. Einer rief dem anderen zu: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere! Die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit!‘“ (Jesaja 6,1-3).
Das ist der Ursprung. Die Serafim (engelhaftes Feuer der Läuterung) verkünden unaufhörlich die absolute Heiligkeit Gottes. Der heilige Johannes zeigt uns in der Offenbarung, dass dieses Lob im Himmel ewig fortdauert:
„Die vier Lebendigen […] rufen bei Tag und bei Nacht ohne Unterlass: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Allherrscher, der war und der ist und der kommt!‘“ (Offenbarung 4,8).
Was tun wir, wenn wir das „Heilig“ singen?
Wir gesellen uns zu ihnen! In diesem präzisen Moment der Messe, während des Hochgebets, ermöglicht uns die Liturgie etwas Erstaunliches: Die Grenzen von Zeit und Raum zu durchbrechen und unsere Stimmen mit dem unaufhörlichen Chor der Engel und Heiligen zu vereinen, die Gott vor seinem himmlischen Thron anbeten. Wir sind keine Zuschauer. Wir sind aktive Teilnehmer an der Liturgie des Himmels. Erde und Himmel verschmelzen zu einer einzigen Stimme des Lobes. Das „Heilig“ ist der Ruf der erlösten Schöpfung, die ihren Schöpfer und Erlöser erkennt.
Den Text entschlüsseln: Wort für Wort, Ruf für Ruf
Der Text, den wir singen oder sprechen, ist eine kraftvolle Synthese dieser biblischen Visionen:
Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten.
Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit.
Hosanna in der Höhe.
Hochgelobt, der da kommt im Namen des Herrn.
Hosanna in der Höhe.
- „Heilig, heilig, heilig“ (Sanctus, Sanctus, Sanctus): Die dreifache Wiederholung ist grundlegend in der jüdisch-christlichen Tradition. Sie ist nicht nur Betonung. Sie ist eine tiefgründige Anspielung auf die Allerheiligste Dreifaltigkeit (Vater, Sohn und Heiliger Geist). Sie verkündet die absolute, einzigartige, transzendente und unaussprechliche Heiligkeit Gottes. Sie ist ein Schrei der Ehrfurcht vor dem Göttlichen.
- „Gott, Herr aller Mächte und Gewalten“ (Dominus Deus Sabaoth): „Sabaoth“ bedeutet „Heere“ oder „Heerscharen“. Es geht nicht um einen Kriegsgott, sondern um den Herrn aller himmlischen Heere (Engel) und alles Existierenden. Er ist der souveräne Gott, Schöpfer und Erhalter von allem. Wir erkennen seine totale Herrschaft an.
- „Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit“ (Pleni sunt caeli et terra gloria tua): Die Herrlichkeit Gottes (seine machtvolle Gegenwart, sein Glanz, seine offenbare Heiligkeit) ist nicht auf den Himmel beschränkt. Sie durchdringt die gesamte Schöpfung. Die Erde, hier und jetzt, ist ebenfalls Ort seiner Gegenwart. Dieser Vers öffnet uns die Augen, um das Heilige im Alltäglichen zu sehen.
- „Hosanna in der Höhe!“ (Hosanna in excelsis): „Hosanna!“ ist ein hebräischer Ruf, der „Hilf doch!“ oder „Rette jetzt!“ bedeutet, sich aber zu einem Jubel- und Huldigungsruf entwickelte, wie ihn die Menge am Palmsonntag verwendete, als sie Jesus empfing (Matthäus 21,9). Wenn wir „Hosanna in der Höhe!“ rufen, vereinen wir unsere Freude mit der der Engel und jener Menge und huldigen dem Retter hier und jetzt.
- „Hochgelobt, der da kommt im Namen des Herrn“ (Benedictus qui venit in nomine Domini): Das ist der prophetische und christologische Höhepunkt. Direkt entnommen aus Psalm 118,26, der zur Begrüßung von Pilgern und Königen verwendet wurde, wendet die Kirche ihn mit voller Kraft auf Jesus Christus an. Wer ist „der da kommt“? Es ist Jesus! Und er kommt auf einzigartige und reale Weise in jeder Messe: in der Eucharistie. Es ist der freudige Huldigungsruf für Christus, der auf dem Altar unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig wird. Es ist die Verkündigung, dass der erwartete Messias gekommen ist und weiterhin zu uns kommt.
- Wiederholung von „Hosanna in der Höhe!“: Der Jubel bricht erneut aus und verstärkt die Huldigung Christi, der kommt. Es ist ein Schrei des Sieges und der Hoffnung.
Praktisch-pastorale Anleitung: Wie du das „Heilig“ in seiner Fülle leben kannst
Dieser Gesang ist nicht zum „Zuhören“ gedacht. Er ist dazu bestimmt, GELEBT zu werden. Ich biete dir diese Anleitung, um jedes „Heilig“ in eine tiefe geistliche Erfahrung zu verwandeln:
- Bereite den Moment vor (Während des Präfationsgebets): Die Präfation ist ein Dankgebet, das gipfelt in der Einladung, uns den himmlischen Chören anzuschließen. Höre ihr aktiv zu! Lass ihre Worte dich für die Ehrfurcht bereit machen. Der letzte Satz der Präfation („… singen wir mit den Chören der Engel dein Lob: Heilig, heilig, heilig…“) ist dein Signal: Jetzt ist es soweit!
- Steh mit Haltung auf: Die stehende Haltung ist nicht bloße Formalität. Sie ist Symbol für Auferstehung, Respekt und Bereitschaft zum Handeln. Steh bewusst auf, wie jemand, der sich auf eine überwältigende Begegnung vorbereitet.
- Erhebe Herz und Stimme (SING!): Wenn du kannst, SINGE. Gesang drückt die Freude der Seele auf einzigartige Weise aus. Wenn du nicht singen kannst, RUF oder SPRICH ES mit innerer Kraft und Überzeugung aus. Murmele nicht. Verkünde. Lass es ein einstimmiger Glaubensruf der Gemeinde sein. Deine einzelne Stimme verschmilzt mit der Stimme der Kirche.
- Stell dir die himmlische Vereinigung vor: Schließe zu Beginn kurz die Augen (wenn es dir hilft). Erinnere dich an Jesaja, erinnere dich an die Offenbarung. Stell dir mit den Augen des Glaubens die Engel und Heiligen neben dir vor, die mit dir singen. Spüre, wie dieser Gesang die Kirchturmspitze durchdringt und den Thron Gottes erreicht. Du bist nicht allein; du bist Teil einer unzählbaren Schar.
- Meditiere jedes Wort, während du es sagst/singst: Wiederhole nicht mechanisch. Wenn du „Heilig, heilig, heilig“ sagst, denk an die Dreifaltigkeit. Wenn du „Herr aller Mächte und Gewalten“ sagst, erkenne seine Macht über dein Leben und die Welt an. Wenn du „Erfüllt sind Himmel und Erde…“ verkündest, öffne die Augen deiner Seele, um seine Herrlichkeit um dich herum zu sehen. Wenn du „Hosanna!“ rufst, fleh und freue dich über das Heil, das in Christus kommt. Wenn du „Hochgelobt, der da kommt…“ huldigst, blicke mit Glauben zum Altar: Er ist es! Jesus kommt zu dir!
- Konzentriere dich auf Christus, der kommt: Das „Hochgelobt, der da kommt“ ist das Zentrum. Das ganze trinitarische und engelhafte Lob konzentriert sich auf Christus in der Eucharistie. Richte dein Herz in diesem Moment intensiv auf ihn. Es ist die unmittelbare Vorbereitung auf den heiligsten Moment: die Wandlung.
- Lass es in dir nachhallen: Nach dem abschließenden „Amen“ bewahre einen kurzen Moment innerer Stille. Lass die Schwingung des Lobes und die Gegenwart Christi, von dir und vom Himmel gehuldigt, dein Wesen durchdringen. Blättere nicht gedanklich sofort weiter.
Das „Heilig“ in deinem Alltag: Über die Messe hinaus
Die Erfahrung des „Heilig“ darf nicht auf Sonntage beschränkt bleiben. Sie ist ein Vorbild für dein geistliches Leben:
- Erkenne die Heiligkeit Gottes: Übe dich in Ehrfurcht vor der Schöpfung, vor dem Guten, vor dem Leben selbst als Widerschein seiner Herrlichkeit. Sprich oft: „Heilig bist du, Herr!“
- Vereine dich mit der Gemeinschaft der Heiligen: Lebe im Bewusstsein, dass dein Gebet, dein Kampf, deine Freude, vereint sind mit denen der streitenden Kirche (auf Erden), der leidenden Kirche (im Fegefeuer) und der triumphierenden Kirche (im Himmel). Du bist nicht allein auf deinem Glaubensweg.
- Huldige Christus, der kommt: Erwarte Christus nicht nur in der Eucharistie, sondern in jedem Bruder, in alltäglichen Ereignissen (freudigen und schmerzlichen) und in seinem glorreichen Kommen am Ende der Zeiten. Lebe mit der Haltung „Maranatha! Komm, Herr Jesus!“ (Offenbarung 22,20).
- Verkünde mit deinem Leben: Lass dein ganzes Leben ein fortwährendes „Hosanna“ sein, ein freudiges Zeugnis des Heils, das du empfangen hast, und der Hoffnung, die dich trägt. Sei ein Widerschein der Herrlichkeit, die Himmel und Erde erfüllt.
Schluss: Der Widerhall der Ewigkeit in deinem Heute
Nächsten Sonntag, wenn du die ersten Töne oder Worte des „Heilig“ hörst, erinnere dich: Du beginnst keinen Gesang, du trittst in einen ein, der niemals aufhört. Du vereinst deine schwache, aber glaubensvolle Stimme mit dem mächtigen Lobstrom, der aus dem Herzen der Serafim, der Heiligen, der Kirche aller Zeiten hervorbricht. Du erkennst den dreimal heiligen Gott, dessen Herrlichkeit den Kosmos überflutet. Und du huldigst mit einer Freude, die die Grundfesten des Alltäglichen erschüttert, dem, der kommt: Jesus Christus, der Retter, gegenwärtig auf dem Altar, gegenwärtig in deinem Bruder, gegenwärtig in deinem Leben.
Lass dieses „Heilig!“ nicht nur ein Wort in einem Buch sein, sondern der Schrei deiner nach Gott dürstenden Seele. Lass dieses „Hosanna!“ dein Hoffnungsschrei mitten in den täglichen Kämpfen sein. Und vor allem, wenn du „Hochgelobt, der da kommt im Namen des Herrn!“ sagst, tu es mit den Augen deines Herzens weit geöffnet, um ihn zu erkennen und zu empfangen. Denn in diesem Augenblick, Bruder, Schwester, berührt der Himmel die Erde, und du bist mittendrin, vereint mit dem ewigen Chor.
Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten! Hosanna in der Höhe!