Hat Jesus Brüder gehabt? Was das griechische Original des Neuen Testaments wirklich sagt

Einleitung: Eine Debatte mit tiefen Wurzeln

Eine der häufigsten Fragen unter Christen und Nicht-Christen ist, ob Jesus leibliche Brüder hatte. Die Evangelien erwähnen mehrfach die „Brüder Jesu“, was einige protestantische und moderne Auslegungen dazu veranlasst hat zu behaupten, Maria habe weitere Kinder gehabt. Doch was sagt der griechische Urtext des Neuen Testaments wirklich aus?

Die Antwort klärt nicht nur ein historisches Detail, sondern vertieft auch unser Verständnis der Mariologie, der Reinheit der Jungfrau und des göttlichen Plans für die Heilige Familie. Um dies zu verstehen, müssen wir zwei griechische Schlüsselwörter untersuchen: „adelphoi“ und „suggenes“.


1. „Adelphoi“: Blutsbrüder oder nahe Verwandte?

In den Evangelien erscheint das griechische Wort „adelphoi“ (ἀδελφοί) in Stellen wie:

  • „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria, und seine Brüder Jakobus, Josef, Simon und Judas?“ (Matthäus 13,55)
  • „Seine Brüder sagten zu ihm: ›Geh von hier fort und zieh nach Judäa…‹“ (Johannes 7,3)

Auf den ersten Blick scheint dies auf leibliche Brüder hinzuweisen. Im biblischen und semitischen Kontext hat „adelphoi“ jedoch eine viel weitere Bedeutung:

  • Im Alten Testament (Septuaginta) wird „adelphoi“ für nahe Verwandte verwendet, nicht unbedingt für Brüder. Zum Beispiel:
    • Lot wird Abrahams „Bruder“ genannt (Genesis 14,14), obwohl er sein Neffe war.
    • Jakob nennt Laban seinen „Bruder“ (Genesis 29,15), obwohl Laban sein Onkel war.
  • In der jüdischen Kultur des 1. Jahrhunderts gab es kein spezifisches Wort für „Cousin“, daher konnte „adelphoi“ Cousins, Neffen oder andere nahe Verwandte bezeichnen.

2. „Suggenes“: Das griechische Wort für Blutsverwandte

Das Neue Testament hat einen Begriff für entferntere Blutsverwandte: „suggenes“ (συγγενεῖς), was „Verwandte“ oder „Familienangehörige“ bedeutet. Zum Beispiel:

  • „Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte [suggenes], hat auch in ihrem Alter einen Sohn empfangen…“ (Lukas 1,36). Hier präzisiert der Evangelist, dass Maria und Elisabeth Verwandte (Cousinen) waren, nicht Schwestern.

Wenn die sogenannten „Brüder Jesu“ Marias Kinder gewesen wären, hätte der Text explizit „huiós“ (Söhne) oder „tekna“ (Kinder, Nachkommen) verwendet. Doch das tut er nie.


3. Wer waren diese „Brüder“ Jesu? Die Tradition klärt auf

Die katholische Kirche, gestützt auf die Heilige Schrift und die apostolische Tradition, lehrt, dass Maria immer jungfräulich blieb („aeiparthenos“, wie das Zweite Konzil von Konstantinopel verkündet). Wer waren also diese „Brüder“?

  • Jakobus und Josef: In Matthäus 27,56 heißt es, dass Maria, die Mutter des Jakobus und Josef, „die andere Maria“ war (verschieden von der Jungfrau). Diese Maria war die Frau des Klopas (Johannes 19,25), möglicherweise die Schwester der Jungfrau Maria, was Jakobus und Josef zu Jesu Cousins machte.
  • Judas (nicht der Iskariot): In Judas 1,1 stellt sich der Autor als „Bruder des Jakobus“ vor, was bestätigt, dass er zur gleichen erweiterten Familie gehörte und nicht Marias Sohn war.

4. Das Zeugnis der Kirchenväter

Die frühen Christen, die die Lehre der Apostel direkt übernahmen, zweifelten nie an der immerwährenden Jungfräulichkeit Marias:

  • Hieronymus (4. Jahrhundert) argumentierte in „Gegen Helvidius“, dass Jesu „Brüder“ Cousins waren, und widerlegte die Idee, Maria habe weitere Kinder gehabt.
  • Epiphanius (4. Jahrhundert) schlug vor, dass Jakobus und die anderen Kinder Josefs aus einer früheren Ehe waren (eine Tradition in einigen alten christlichen Kreisen).

5. Schlussfolgerung: Maria, die immerwährende Jungfrau

Die sprachliche und theologische Analyse bestätigt:

✅ „Adelphoi“ bedeutet nicht unbedingt leibliche Brüder, sondern kann nahe Verwandte einschließen.
✅ Der Begriff „suggenes“ wird für Cousins verwendet, wie im Fall der Elisabeth.
✅ Die apostolische Tradition hat immer die immerwährende Jungfräulichkeit Marias bekräftigt, ein Zeichen ihrer Reinheit und einzigartigen Rolle in der Heilsgeschichte.

Weit davon entfernt, ein nebensächliches Detail zu sein, stärkt diese Wahrheit unsere Verehrung der Heiligen Familie, in der Jesus, der eingeborene Sohn, von einer immer treuen Mutter und einem keuschen, heiligen Ziehvater aufgezogen wurde.

Abschließende Betrachtung

Wenn Maria weitere Kinder gehabt hätte, warum hätte Jesus sie dann am Kreuz dem heiligen Johannes anvertraut (Johannes 19,26-27)? Diese Handlung zeigt, dass es keine anderen leiblichen Söhne gab, die sich um sie hätten kümmern können.

Maria ist die neue Eva, die geistliche Mutter aller Gläubigen, und ihre immerwährende Jungfräulichkeit ist ein Geheimnis, das uns einlädt, unsere Liebe und Ehrfurcht für die Frau zu vertiefen, die den Erlöser in die Welt gebracht hat.


Hat Ihnen diese Analyse geholfen? Teilen Sie sie und vertiefen Sie sich weiter in den Reichtum des katholischen Glaubens. Ave Maria! 🌹✝️

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Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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