In der katholischen Kirche gibt es nur wenige Feiern, die so tiefgründig und bewegend sind wie die Missa in Coena Domini am Gründonnerstag. Diese Messe, die das österliche Triduum eröffnet, lädt uns ein, in das Geheimnis der Liebe Gottes einzutreten, die in der Eucharistie, im Priestertum und im Gebot der Nächstenliebe sichtbar wird.
Aber wie entstand diese Feier? Warum ist sie heute so wesentlich? Tauchen wir ein in ihre Ursprünge, ihre Geschichte und ihre Bedeutung, um sie mit einem offenen, gnadenbereiten Herzen neu zu entdecken.
Die Ursprünge der „Missa in Coena Domini“
Der Begriff Missa in Coena Domini bedeutet wörtlich „Messe am Tisch des Herrn“. Es handelt sich um die liturgische Gedächtnisfeier des Letzten Abendmahls, bei dem Jesus, bevor er in sein Leiden ging, seinen Aposteln seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein übergab.
Die Wurzeln dieser Feier liegen im Herzen des Evangeliums. Die synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) berichten von der Einsetzung der Eucharistie beim Abendmahl, während das Johannesevangelium zwar nicht direkt die Einsetzung erwähnt, aber eine andere grundlegende Handlung hervorhebt: die Fußwaschung.
Bereits in den ersten Jahrhunderten versammelten sich die Christen am Jahrestag des Leidens Christi, um diese Geheimnisse zu feiern. Doch erst im 4. und 5. Jahrhundert, besonders in Jerusalem und Rom, begann sich eine strukturierte Liturgie für den Gründonnerstag zu entwickeln. Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten Jerusalems – insbesondere zum Abendmahlssaal auf dem Zion – unterstrichen die besondere Bedeutung dieses Tages.
In der frühesten römischen Liturgie war der Gründonnerstag durch zwei zentrale Elemente geprägt: die feierliche Versöhnung der Büßer (jene, die ihre öffentliche Buße beendet hatten) und die Eucharistiefeier zur Erinnerung an die Einsetzung durch den Herrn.
Die Entwicklung der Feier im Laufe der Geschichte
Im Mittelalter gewann die Missa in Coena Domini an Feierlichkeit. Es wurde Brauch, dass Bischöfe und Äbte zwölf Armen die Füße wuschen, als Nachahmung der Demut Christi. Dieses Ritual, bekannt als Mandatum (nach den Worten Christi: Mandatum novum do vobis, „Ein neues Gebot gebe ich euch“, Joh 13,34), wurde zu einem festen Bestandteil der Liturgie.
In dieser Zeit begann auch die eucharistische Prozession an Bedeutung zu gewinnen. Nach der Messe wurde das Allerheiligste feierlich in einem Seitenaltar (dem sogenannten „Repositur“) aufbewahrt, wo die Gläubigen eingeladen wurden, in stiller Anbetung zu wachen – in Erinnerung an das Gebet Jesu in Getsemani.
Eine kleine historische Anmerkung: In den ersten Jahrhunderten wurde am Karfreitag und Karsamstag keine Eucharistie gefeiert. Deshalb sollten die Gläubigen am Gründonnerstag kommunizieren, was die Bedeutung der Missa in Coena Domini als letzte Eucharistiefeier vor der Auferstehung noch verstärkte.
Mit der tridentinischen Reform (16. Jahrhundert) regelte Papst Pius V. die Riten des Gründonnerstags, und die Fußwaschung wurde optional, aber empfohlen, meist nach der Messe vollzogen. Die Messe selbst wurde auf den Abend verlegt, um näher an der biblischen Überlieferung zu bleiben.
Die tiefe theologische Bedeutung der „Missa in Coena Domini“
Im Zentrum dieser Feier stehen drei große Geheimnisse:
- Die Einsetzung der Eucharistie: Jesus schenkt sich selbst als Nahrung, erfüllt seine Verheißung: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm“ (Joh 6,56). Die Eucharistie ist nicht nur ein Symbol, sondern die wirkliche und substantielle Gegenwart Christi, aus Liebe hingegeben zur Speisung unserer Seelen.
- Die Einsetzung des sakramentalen Priestertums: Mit den Worten „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19) setzt Christus nicht nur die Eucharistie ein, sondern ruft auch die Apostel in das priesterliche Amt. Der Gründonnerstag ist somit der „Geburtstag“ des Priestertums – ein Tag tiefster Dankbarkeit für dieses göttliche Geschenk.
- Das Gebot der Liebe: Durch die Fußwaschung zeigt Jesus, dass wahre Größe im Dienen besteht. Die Liebe, demütig und konkret, ist das Kennzeichen des wahren Christen. Das mandatum novum stellt uns die Frage: Sind wir bereit, so zu lieben, wie Christus liebt?
Diese drei Dimensionen – Eucharistie, Priestertum, Nächstenliebe – sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne Liebe verliert die Eucharistie ihre Kraft; ohne Eucharistie fehlt der Nächstenliebe die übernatürliche Tiefe; ohne Priestertum könnte die Eucharistie nicht durch die Geschichte weitergetragen werden.
Pastoraltheologische und spirituelle Überlegungen für heute
In einer Welt, die von Individualismus und Oberflächlichkeit geprägt ist, leuchtet die Missa in Coena Domini wie ein helles Licht.
- Die Eucharistie neu entdecken: Viele Katholiken haben den Sinn für die wirkliche Gegenwart Christi im Allerheiligsten verloren. Der Gründonnerstag ruft uns eindringlich auf, unser eucharistisches Staunen zu erneuern und die unendliche Demut Gottes zu erkennen, der sich als Brot hingibt.
- Für die Priester beten: In einer Zeit der Skandale und des Vertrauensverlusts ist es dringender denn je, die Priester im Gebet, durch Wertschätzung und Unterstützung zu begleiten. Sie sind zerbrechliche Gefäße, die den größten Schatz tragen: Christus selbst.
- Eine echte Nächstenliebe leben: Die Fußwaschung ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern eine Lebensschule. Jeder Christ ist aufgerufen, „die Füße der anderen zu waschen“: zu vergeben, zu dienen, die Ausgegrenzten aufzunehmen.
Liturgische Höhepunkte der Feier
Die Missa in Coena Domini zeichnet sich durch mehrere besondere Elemente aus:
- Das Gloria: Nach der Fastenzeit erklingt erstmals wieder das Gloria mit Glocken und Orgel, bevor anschließend wieder Stille herrscht – bis zur Osternacht. So wird die Feierlichkeit der Passion besonders hervorgehoben.
- Die Prozession zum Repositorium: Am Ende der Messe wird das Allerheiligste in einer feierlichen Prozession zum Repositorium übertragen. Dort bleiben die Gläubigen zur stillen Anbetung eingeladen, wie Jesus im Garten Getsemani zu wachen und zu beten.
- Die Entkleidung der Altäre: Nach der Prozession werden die Altäre vollständig abgedeckt, Kreuze werden verhüllt oder entfernt – ein Sinnbild für die Verlassenheit Christi und die Trauer der Kirche bis zur Auferstehung.
Ein Aufruf an das Herz
Die Teilnahme an der Missa in Coena Domini bedeutet nicht nur, einer schönen Zeremonie beizuwohnen. Es bedeutet, in das Herz des Glaubensgeheimnisses einzutreten: sich von Christus lieben zu lassen, sich von seinem Leib und Blut nähren zu lassen, sich von seiner demütigen Liebe reinigen zu lassen – und darauf mit einer Lebenshingabe in Liebe und Dienst an den Nächsten zu antworten.
Heute mehr denn je braucht die Welt Christen, die von der Eucharistie leben und wahre Liebe ausstrahlen.
Der Gründonnerstag ist keine Erinnerung an Vergangenes, sondern ein aktueller, dringender Aufruf, das Evangelium heute zu leben.
Wenn wir an diesem Gründonnerstag vor dem Repositorium knien und den Herrn wieder sagen hören: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, dann möge unser Herz von einer erneuerten Liebe zur Eucharistie, zum Priestertum und zu unseren Brüdern und Schwestern brennen.