Die reale Gegenwart Christi: Zwei Kerzen als ewige Zeugen
I. EINLEITUNG: EINE FLAMME, DIE ZUM HERZEN SPRICHT
Im Halbdunkel vieler Kirchen, zwischen der Stille der Sammlung und dem Murmeln der betenden Seele, brennen demütig zwei Kerzen neben dem Tabernakel. Sie sind keine Dekoration. Sie stehen nicht aus Gewohnheit dort. Es sind Flammen, die sprechen. Flammenzungen, die eine ewige Botschaft flüstern: Christus ist hier. Lebendig. Wirklich. Gegenwärtig.
Aber warum zwei? Welche Geschichte und welches Geheimnis umgeben diese Zwillingsflammen, die über dem Tabernakel wachen? Welche geistliche und theologische Bedeutung verbirgt sich hinter dieser alten und scheinbar einfachen Praxis? Dieser Artikel lädt dich ein, mit neuen Augen zu sehen, was wir oft übersehen. Denn in der Kirche ist nichts überflüssig: Alles spricht, alles lehrt, alles führt zum Mysterium.
II. KURZER GESCHICHTLICHER HINTERGRUND: VON DEN KATAKOMBEN ZU DEN TEMPELN
Seit den ersten Jahrhunderten des Christentums ist das Licht eng mit der Gegenwart Christi verbunden. In den römischen Katakomben entzündeten die Christen Öllampen nicht nur aus praktischen Gründen, sondern als Symbol des Glaubens: Christus ist das Licht der Welt (vgl. Joh 8,12).
Mit der Entwicklung der Liturgie wuchs auch der symbolische Gebrauch des Lichts. Im Mittelalter wurde es zur Gewohnheit, zwei brennende Kerzen neben dem Tabernakel aufzustellen, insbesondere wenn das Allerheiligste Sakrament darin aufbewahrt wurde.
Diese Praxis wurde in verschiedenen liturgischen Rubriken festgehalten, insbesondere nach dem Konzil von Trient, das die wirkliche, wahre und wesentliche Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie gegenüber den protestantischen Irrlehren bekräftigte. Die Kerzen waren – und sind – stille, aber beredte Zeugen dieser Gegenwart.
III. DIE THEOLOGISCHE BEDEUTUNG DER ZWEI KERZEN
1. Zeugen der Realen Gegenwart
Die zwei brennenden Kerzen neben dem Tabernakel stehen für den lebendigen Glauben der Kirche an die reale Gegenwart Jesu im Allerheiligsten Sakrament. Sie sind keine bloßen optischen Hinweise, sondern theologische Zeugen, als wollten sie sagen: „Siehe, der Bräutigam!“ (Mt 25,6).
Erinnern wir uns: Die Eucharistie ist kein Symbol, sondern Substanz. Wie das Konzil von Trient lehrt:
„Im Sakrament der Eucharistie ist der Leib und das Blut zusammen mit der Seele und der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus wahrhaft, wirklich und wesentlich enthalten“ (DS 1651).
Die zwei Kerzen sind die modernen „Elias“, die in der Wüste dieser säkularisierten Welt rufen: „Betet Christus an!“
2. Erinnerung an das doppelte Zeugnis
Im mosaischen Gesetz war es erforderlich, dass jedes Zeugnis durch mindestens zwei Zeugen bestätigt wird:
„Ein einzelner Zeuge genügt nicht gegen jemanden bei irgendeiner Schuld oder Sünde… die Sache soll durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden“ (Dtn 19,15).
In diesem Licht bezeugen die zwei Kerzen vor Himmel und Erde, dass Christus wirklich gegenwärtig ist. Sie sind wie Mose und Elija auf dem Tabor, die die Herrlichkeit des Herrn bestätigen.
3. Symbol des Alten und Neuen Testaments
Die doppelte Flamme steht auch für die zwei Bündnisse, die am Altar erfüllt werden: das Alte Testament, das Christus vorbildet, und das Neue, das ihn offenbart und fortführt. Beide Schriften verneigen sich vor dem Sakrament der Liebe.
4. Ikone von Seele und Leib, die gemeinsam anbeten
Zwei Kerzen: die Seele und der Leib. Beide müssen in der Anbetung brennen. Das Licht symbolisiert eine lebendige, ganzheitliche Anbetung ohne Spaltung. Es erinnert uns daran, dass die Anbetung mit dem Leib – kniend, schweigend, ehrfürchtig – ebenso wichtig ist wie die mit der Seele.
IV. PASTORALE UND PRAKTISCHE ANWENDUNGEN
1. Die reale Gegenwart mit Sinnen und Herz erkennen
Wenn du eine Kirche betrittst, gehe nicht achtlos am Tabernakel vorbei. Schau auf die Kerzen. Sie sind deine Lehrer. Sie sagen: „Hier ist der König. Geh auf die Knie.“
- Mache eine Kniebeuge mit Bewusstsein und Hingabe.
- Sprich ein kurzes Gebet: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
2. Stille eucharistische Anbetung fördern
Die Kerzen neben dem Tabernakel sind ein Ruf zur Stille und Sammlung. Nimm dir jede Woche mindestens 15 Minuten für stille Anbetung. Lass dich von dieser doppelten Flamme erleuchten, die nicht umsonst brennt.
3. Zu Hause: eine kleine „Tabernakel-Kapelle“
Du kannst keinen Tabernakel zu Hause haben, aber du kannst einen Ort für die Begegnung mit Gott reservieren:
- Stelle ein Kruzifix und zwei Kerzen auf (echt oder elektrisch).
- Widme diesen Platz dem täglichen Gebet.
- Ahme die Struktur des Tabernakels nach: Christus im Zentrum, und das Licht, das ihn anbetet.
4. Kinder und Jugendliche in die eucharistische Liebe einführen
Erkläre den Kleinen, was diese Kerzen bedeuten. Sag ihnen:
- „Sieh dir diese zwei Lichter an. Sie sind wie unsere Augen, die auf Jesus schauen.“
- Oder: „Diese Kerzen sagen Jesus, dass wir ihn lieben und anbeten.“
5. Häufige Beichte: Damit auch deine Seele ein leuchtender Tabernakel sei
Die Seele in Gnade wird zur Wohnstätte Gottes. Möge das Licht des Glaubens und der Liebe auch in dir brennen. Die Kerzen neben dem Tabernakel sollen nicht nur in der Kirche, sondern auch in jedem Herzen brennen.
V. PRAKTISCHER LEITFADEN AUS THEOLOGISCHER UND PASTORALER SICHT
Konkrete Handlung | Theologische Grundlage | Pastorale Anwendung |
---|---|---|
Vor dem Tabernakel niederknien | Reale Gegenwart Christi (Trient, Joh 6) | Schulung in Ehrfurcht |
Zwei Kerzen beim Familiengebet entzünden | Erinnerung an die Zeugen | Anbetungskultur zu Hause schaffen |
Ewige Anbetung fördern | „Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?“ (Mt 26,40) | Stärkung des Pfarrlebens |
Katechese über liturgische Zeichen | Lex orandi, lex credendi | Lebendige liturgische Bildung |
Anbetungsschichten vor dem Tabernakel organisieren | „Der Eifer für dein Haus verzehrt mich“ (Joh 2,17) | Geistliche Erneuerung der Gemeinschaft |
VI. HEUTE MEHR DENN JE: EIN AUFRUF ZUR EHRFURCHT
Wir leben in Zeiten der Verwirrung. In vielen modernen Kirchen wurde der Tabernakel verlegt, in Seitenkapellen abgeschoben oder sogar vergessen. Die zwei Kerzen sind verschwunden, ersetzt durch kalte elektrische Lichter – oder durch gar nichts.
Aber du kannst diese Flamme neu entfachen. Du kannst dem Tabernakel seinen Platz in deinem Herzen, in deiner Pfarrei, in deiner Umgebung zurückgeben. Sei wie die zwei Kerzen:
- Beständig.
- Still.
- Brennend.
- Zeuge.
VII. SCHLUSS: ES SIND NICHT NUR ZWEI KERZEN
Die Flammen, die neben dem Tabernakel brennen, sind weder Dekoration noch bloßes Protokoll. Sie sind Flammen, die sprechen. Sie erinnern uns daran, dass in diesem kleinen Tabernakel der König des Universums wohnt, der Bräutigam der Seele, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Jedes Mal, wenn du diese zwei Kerzen siehst, möge deine Seele sich beugen, dein Herz sich öffnen und dein Glaube sich erneuern. Denn auch wenn sich alles verändert, auch wenn die Welt erkaltet, diese zwei Lichter brennen weiter in der Nacht. Wie beim Auszug aus Ägypten, als der Herr sein Volk mit einer Feuersäule führte, so führen auch heute diese Flammen uns zur Ewigen Liebe, verborgen unter den eucharistischen Gestalten.
„Kommt, lasst uns niederfallen und anbeten, lasst uns niederknien vor dem Herrn, der uns gemacht hat.“
Psalm 95,6