Die Fastenzeit ist eine Zeit der Gnade, ein Aufruf zur Umkehr, zur tiefen Reflexion und zum Verzicht auf das Überflüssige, um das Wesentliche zu umarmen: unsere Beziehung zu Gott. In einer Welt, in der Lärm, Konsum und Unmittelbarkeit uns gefangen nehmen, lädt uns die Kirche ein, innezuhalten, Stille zu suchen und den wahren Reichtum wiederzuentdecken, den nur Christus uns geben kann.
Der Ursprung der Fastenzeit: Ein 40-tägiger Weg zur Auferstehung
Die Fastenzeit hat sowohl in der Heiligen Schrift als auch in der Tradition der Kirche ihre Wurzeln. Die Zahl 40 ist in der Bibel symbolisch: Sie steht für eine Zeit der Vorbereitung, der Prüfung und der Begegnung mit Gott. Mose verbrachte 40 Tage auf dem Berg Sinai, bevor er das Gesetz empfing (Exodus 24,18), das Volk Israel wanderte 40 Jahre durch die Wüste, bevor es das Gelobte Land erreichte (Numeri 14,33-34), und vor allem fastete und betete Jesus 40 Tage in der Wüste, bevor er sein öffentliches Wirken begann (Matthäus 4,1-2).
Schon in den ersten Jahrhunderten des Christentums bereiteten sich die Gläubigen auf Ostern mit einer Zeit der Buße, des Fastens und des Gebets vor, insbesondere diejenigen, die in der Osternacht die Taufe empfangen sollten. Mit der Zeit festigte sich diese Praxis und wurde in der gesamten Kirche offiziell eingeführt.
Die Entbehrung: Eine Brücke zum wahren Reichtum
In der heutigen Gesellschaft wird Entbehrung oft als unerwünschter Verzicht, als schwere Last oder gar als Rückschritt gesehen. Doch in der christlichen Logik ist Entbehrung kein Verlust, sondern ein Gewinn. Der freiwillige Verzicht auf materielle Güter und unnötige Ablenkungen macht nicht ärmer, sondern bereichert die Seele und öffnet sie für die göttliche Gnade.
Johannes Paul II. sagte: „Nicht reich ist, wer viel besitzt, sondern wer wenig braucht.“ Die Fastenzeit erinnert uns daran, dass der größte Reichtum nicht in der Anhäufung von Gütern liegt, sondern in der Fähigkeit, sich von ihnen zu lösen, um etwas unendlich Größeres zu gewinnen: die Liebe Gottes.
Das Fasten: Hunger nach Gott
Fasten ist nicht nur ein körperlicher Verzicht, sondern eine geistige Übung, die uns hilft, unseren Willen zu stärken und uns daran zu erinnern, dass „der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ (Matthäus 4,4). Beim Fasten spüren wir in unserem eigenen Körper das Bedürfnis nach etwas Größerem als Nahrung: das Bedürfnis nach Gott.
Papst Franziskus lädt uns zu einem Fasten ein, das über das Materielle hinausgeht: „Faste von verletzenden Worten und sprich Worte der Güte. Faste von Unzufriedenheit und erfülle dich mit Dankbarkeit. Faste von Sorgen und vertraue auf Gott.“ Die Enthaltsamkeit der Fastenzeit bedeutet also nicht nur den Verzicht auf bestimmte Speisen, sondern auch den Verzicht auf Haltungen, die uns von Christus entfernen.
Das Gebet: Ein Dialog, der uns verwandelt
Entbehrung ist nicht nur eine äußere Verzichterklärung, sondern vor allem eine innere Haltung. Das Gebet hilft uns, unser Herz auf Gott auszurichten und zu entdecken, dass Er unser wahrer Reichtum ist. In einer Welt, die uns ständig zur Aktivität drängt, lädt uns die Fastenzeit ein, innezuhalten und auf Gottes Stimme zu hören.
Das Almosen: Geteilter Reichtum
Nach der Logik des Evangeliums vervielfältigt sich wahrer Reichtum, wenn er geteilt wird. Almosengeben bedeutet nicht nur, den Bedürftigen Geld zu geben, sondern Nächstenliebe in all ihren Dimensionen zu leben: unsere Zeit, unsere Fähigkeiten, unser Zuhören und unser Mitgefühl mit anderen zu teilen. Jesus erinnert uns daran: „Geben ist seliger als nehmen“ (Apostelgeschichte 20,35).
Die Fastenzeit in der heutigen Welt: Ein Gegenmittel gegen die spirituelle Leere
Wir leben in einer Zeit des materiellen Überflusses, aber der geistlichen Armut. Nie zuvor hatten wir so viele technologische Ressourcen, Konsumgüter und Unterhaltungsmöglichkeiten, und doch bleibt die Seele des Menschen durstig nach Sinn, nach Transzendenz, nach Gott.
Die Fastenzeit ist die Antwort auf diese Leere. Sie lädt uns ein, uns vom Lärm zurückzuziehen, um das Wesentliche wiederzuentdecken. Sie lehrt uns, dass Entbehrung keine Einschränkung ist, sondern ein Weg zur Freiheit. Sie erinnert uns daran, dass der wahre Schatz nicht in dem liegt, was wir besitzen, sondern in dem, was wir vor Gott sind.
Fazit: Den wahren Reichtum wiederfinden
Wenn die Fastenzeit authentisch gelebt wird, führt sie uns zu einem großen christlichen Paradoxon: Indem wir auf das Vergängliche verzichten, finden wir das Ewige. Indem wir uns des Unnötigen entledigen, entdecken wir das Wesentliche. Indem wir uns selbst leer machen, werden wir mit Gott erfüllt.
Diese liturgische Zeit ist eine einzigartige Gelegenheit, den Reichtum eines einfachen Lebens, die Freude des Sich-Schenkens und die Schönheit eines bekehrten Herzens neu zu entdecken. Es geht nicht nur darum, freitags kein Fleisch zu essen oder äußere Opfer zu bringen, sondern um eine echte innere Veränderung, die uns auf das große Ereignis der Auferstehung vorbereitet.
Möge diese Fastenzeit für dich eine Zeit der Gnade sein, ein Weg zum wahren Reichtum, den nur Christus schenken kann. Wie uns der heilige Paulus sagt: „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich war, wurde er euretwegen arm, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2 Korinther 8,9).
Möge diese Fastenzeit uns die Freude dieser Armut bringen, die bereichert, dieser Entbehrung, die befreit, und dieses Weges, der uns zur Fülle in Christus führt.