Der Pelikan im Tabernakel: Das eucharistische Symbol, das von Liebe, Opfer und Hoffnung spricht

EINFÜHRUNG: EIN VOGEL, EIN ALTAR UND EINE EWIGE BOTSCHAFT

In vielen katholischen Kirchen weltweit kann man, wenn man genau hinschaut, am Tabernakel – jenem kleinen goldenen „Schrein“, in dem das Allerheiligste Sakrament aufbewahrt wird – ein ungewöhnliches Bild entdecken: einen Pelikan, der sich mit seinem Schnabel in die Brust pickt, um seine Jungen mit seinem eigenen Blut zu nähren. Was macht dieser Vogel dort? Warum befindet sich dieses Bild an dem heiligsten Ort der Kirche? Welches Geheimnis birgt dieses uralte Symbol, das über Jahrhunderte hinweg in der sakralen Kunst, der Liturgie und der Spiritualität bewahrt wurde?

Dieser Artikel möchte dich mitten in dieses Geheimnis führen. Nicht nur, um dir die Geschichte des Pelikans in der katholischen Tradition zu erzählen, sondern damit du selbst entdeckst, wie dieses Symbol deine Art, die Eucharistie zu leben, den Tabernakel zu betrachten und – vor allem – zu lieben, wie Christus uns geliebt hat: bis zum Blutvergießen, verwandeln kann.


1. DER URALTE MYTHOS, DER DAS EVANGELIUM VORAUSSCHATTET

Der Symbolismus des Pelikans geht auf einen alten Glauben zurück, der im Mittelalter weit verbreitet war. Man glaubte, dass der Pelikan in Zeiten großer Not seinen eigenen Brustkorb mit dem Schnabel aufreißt, um seine Jungen mit seinem Blut zu ernähren und sie so vor dem Tod zu retten.

Auch wenn dieses Verhalten biologisch kaum haltbar ist, enthält diese Legende eine allegorische Schönheit, die Christen schon früh erkannten. Für die Kirchenväter wurde der Pelikan zu einer natürlichen Vorwegnahme Christi, des wahren Erlösers, der „uns mit seinem Fleisch nährt und uns sein Blut zu trinken gibt“ (vgl. Johannes 6,53–56).

Das Bild des Pelikans fand bald Eingang in die liturgische Ikonographie, in religiöse Poesie und in die sakrale Kunst – nicht aus dekorativen Gründen, sondern weil es eine zutiefst christliche Wahrheit sichtbar machte: das aus Liebe bedingungslos hingegebene Leben Christi.


2. THEOLOGIE DES PELIKANS: EIN EUCHARISTISCHER CHRISTUS

Der Pelikan im Tabernakel ist nicht bloß Kunst – er ist Theologie. Er ist kein Ornament – er ist sichtbare Lehre. Seine Gegenwart erinnert uns daran, dass im Zentrum des katholischen Glaubens eine Person steht, die sich vollständig für uns hingegeben hat und sich Tag für Tag in der Eucharistie weiterhin schenkt.

Der heilige Thomas von Aquin widmet diesem Bild in seinem berühmten Hymnus „Adoro te devote“ eine besonders innige Zeile:

„Pie pellicane, Iesu Domine, me immundum munda tuo sanguine.“
(„Gütiger Pelikan, Herr Jesus, reinige mich, den Unreinen, mit deinem Blut.“)

Hier betont Thomas nicht nur die Lehre der Transsubstantiation (dass Christus wirklich in der konsekrierten Hostie gegenwärtig ist), sondern erkennt, dass diese Nahrung aus einer Wunde stammt: Christus wurde für uns durchbohrt (vgl. Jesaja 53,5; Johannes 19,34).

Der Pelikan steht somit für eine dreifache Wahrheit:

  1. Die Liebe Christi, die sich verschenkt.
  2. Das Opfer, das rettet.
  3. Die Eucharistie als Quelle des Lebens.

3. PASTORALE BEDEUTUNG: VOM SYMBOL ZUM LEBEN

Der Pelikan stellt uns in Frage. Es genügt nicht, ihn zu sehen und zu bewundern – man muss seine Botschaft das eigene Herz durchdringen lassen.

Was sagt dir dieses Symbol heute?

  • Dass der christliche Glaube keine Bequemlichkeit ist, sondern Hingabe.
  • Dass wahre Liebe Opfer, Verzicht und radikale Großzügigkeit bedeutet.
  • Dass Christus wirklich im Tabernakel gegenwärtig ist, still und verwundet, wie der Pelikan, der weiterhin sein Leben für dich gibt.

In einer Welt, in der Liebe mit Vergnügen, Dienst mit Eigennutz und Opfer mit Niederlage verwechselt wird, bietet uns der Pelikan im Tabernakel eine gegenkulturelle Lektion: Lieben heißt, sein Leben zu geben – wie Christus es bei jeder heiligen Kommunion tut.


4. EIN PRAKTISCHER LEITFADEN, UM ALS KINDER DES PELIKANS ZU LEBEN

Hier ist ein theologischer und pastoraler Leitfaden, um dieses Symbol im Alltag anzuwenden. Ziel ist es nicht nur, den Pelikan zu bewundern, sondern ihn zu nachzuahmen, denn Christus ruft uns, ebenfalls Brot zu werden, das gebrochen wird, und Blut, das vergossen wird – für die Welt.

A. VOR DEM TABERNAKEL: BEWUSST ANBETEN

  • Geh niemals achtlos am Tabernakel vorbei. Mache eine bewusste Kniebeuge. Der wahre Pelikan ist dort.
  • Besuche das Allerheiligste. Ein einfaches Gebet, ein liebevoller Blick, ein stilles Verweilen – alles zählt vor Ihm.
  • Betrachte den Pelikan (wenn einer dargestellt ist). Wenn nicht, stelle ihn dir vor, und bete mit Glauben: „Danke, Herr, dass du mir dein Leben gibst.“

B. IN DER MESSE: ALS OPFER TEILNEHMEN

  • Bei jeder Messe gibt sich Christus erneut hin wie der Pelikan. Sei kein Zuschauer. Beteilige dich an seinem Opfer.
  • Opfere deine Leiden, deine Arbeit, deine Gebete. Vereine dein Blut mit seinem.
  • Wenn du kommunizierst, empfange ihn mit Eifer, Demut und Dankbarkeit. Du empfängst denselben, der sich für dich hat durchbohren lassen.

C. IM ALLTAG: LIEBE BIS ZUR VERWUNDUNG

  • Liebe deine Familie wie der Pelikan: auch wenn es dich etwas kostet, auch wenn es wehtut.
  • Vergib aufrichtig. Sei großzügig. Sei ein Diener. Mach dein Leben zu einer Eucharistie.
  • Wenn du Priester bist, erinnere dich, dass du dem Pelikan gleichgestaltet bist: Auch du bist berufen, dein Leben für deine Herde zu geben.

5. ANWENDUNG IN DER HEUTIGEN WELT

In einer Gesellschaft, die von Individualismus, Narzissmus und Oberflächlichkeit geprägt ist, ist der Pelikan im Tabernakel ein stummer Schrei, der den Mangel an Hingabe, den Egoismus und die spirituelle Lauheit anklagt.

Mehr denn je brauchen wir Katholiken, die „eucharistisch“ leben: bereit, sich zu verschenken, aus Liebe zu bluten, nichts zurückzuhalten.

Der Pelikan schützt sich nicht. Er gibt sich hin. Wie Christus. Wie Maria. Wie die Heiligen. Wie du es tun sollst.


6. BIBEL UND PELIKAN: EINE WUNDE DER LIEBE

Jesus sagt im Evangelium:

„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“ (Johannes 6,54)

Der Pelikan steht genau dafür: einen lebendigen Christus, der sich verwunden lässt, damit du lebst.

Und der Prophet Jesaja hatte dieses Opfer schon angekündigt:

„Er war verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut… er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, zerschlagen wegen unserer Sünden.“ (Jesaja 53,3.5)

Der Pelikan blutet – doch sein Blut bringt Leben. Das ist das Paradoxon der christlichen Liebe.


SCHLUSSFOLGERUNG: EIN AUFRUF ZUM EUCHARISTISCHEN LEBEN

Das nächste Mal, wenn du eine Kirche betrittst und einen Pelikan auf dem Tabernakel siehst, bleib stehen. Es ist kein Ornament. Es ist eine lebendige Ikone der größten Liebe.

Denk daran, dass Christus dort ist, wie dieser mystische Pelikan, der dir sein Blut gibt, dich aus seiner Wunde nährt, dich in der Stille erwartet.

Und du – wirst du wie Er sein? Wirst du es wagen, eucharistisch zu leben? Wirst du zulassen, dass dein Herz geöffnet wird, damit andere leben?

Der Pelikan im Tabernakel ist kein Symbol der Vergangenheit. Er ist ein dringender Aufruf für die Gegenwart. Und ein Versprechen auf das ewige Leben.


„Der Pelikan verwundet sich, um seinen Jungen das Leben zu schenken. Christus ließ sich verwunden, um es dir zu geben. Vergiss das niemals.“

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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