Einleitung: Ein Kirchenvater, der heute noch spricht
Inmitten der Hektik der modernen Welt, in der Spiritualität oberflächlich zu werden droht, kann der Blick auf die Ursprünge die revolutionärste und erfrischendste Handlung sein. Der heilige Ambrosius von Mailand (†397), einer der großen lateinischen Kirchenväter, war nicht nur ein mutiger und weiser Bischof, sondern auch ein wahrer Meister der christlichen Initiation. Sein Werk De Sacramentis ist kein gewöhnlicher Traktat: Es ist ein verborgener Schatz, der die DNA der katholischen Liturgie enthält. In seinen Worten pulsiert das Leben einer jungen, lebendigen und zutiefst eucharistischen Kirche.
Dieser Artikel möchte ein Tor öffnen – zur Geschichte, zum Herzen der sakramentalen Theologie und zu einem bewussteren Leben dessen, was wir jeden Sonntag in der Messe feiern. Denn das Verständnis unserer liturgischen Wurzeln ist keine akademische Neugierde – es ist eine lebenswichtige Notwendigkeit, um die Schönheit und verwandelnde Kraft der Sakramente neu zu entdecken.
1. Wer war der heilige Ambrosius?
Der heilige Ambrosius wurde um 340 in eine christliche römische Familie in Trier (dem heutigen Deutschland) geboren und erhielt eine klassische Ausbildung in Rom. Als Statthalter von Ligurien und Emilia nahm sein Leben eine radikale Wende, als er 374 zum Bischof von Mailand gewählt wurde – obwohl er noch nicht einmal getauft war. Diese von der Vorsehung gelenkte Berufung machte ihn zu einer der einflussreichsten Gestalten des westlichen Christentums.
Ambrosius war Seelsorger, Theologe, Liturgiker und Dichter. Er schrieb Predigten, moralische Traktate, Briefe und biblische Kommentare. Sein pastoraler Stil, der sich besonders auf die Katechese von Erwachsenen zur Taufvorbereitung konzentrierte, hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck. Er war auch der geistliche Begleiter des heiligen Augustinus, den er zur Taufe führte.
2. De Sacramentis: Ein Spiegel der alten Liturgie
Das Werk De Sacramentis, verfasst in Form einer nachösterlichen Taufkatechese, bietet ein einzigartiges Fenster in die sakramentale Praxis des 4. Jahrhunderts. Es ist kein systematischer Traktat, sondern eine lebendige pastorale Meditation, tief verwurzelt in der Erfahrung.
Was enthält es?
- Eine Erklärung der Riten von Taufe, Firmung (Salbung) und Eucharistie.
- Eine Auslegung der Symbole von Wasser, Öl, Handauflegung, Brot und Wein.
- Eine Verbindung zwischen den Sakramenten und dem österlichen Geheimnis Christi.
Für Ambrosius sind die Sakramente keine bloßen äußeren Zeichen, sondern verwandelnde Wirklichkeiten:
„Du hast das Wasser gesehen, aber du hast auch seine Wirkung gesehen… Du hast das Sichtbare gesehen, aber das Unsichtbare verstanden.“
(De Sacramentis, 1,4)
3. Eine tiefe Theologie in einfacher Sprache
Der heilige Ambrosius spricht in einer einfachen, katechetischen Sprache, die direkt das Herz anspricht. Er erklärt nicht nur das Was der Sakramente, sondern auch das Warum und wozu. Er schöpft ständig aus der Heiligen Schrift, der Liturgie, der Typologie des Alten Testaments und einer tief verkörperten Christologie.
Einige zentrale theologische Aspekte, die uns auch heute noch leuchten:
a. Christus wirkt in den Sakramenten
Ambrosius betont klar: Christus selbst ist es, der tauft, salbt und konsekriert. Der menschliche Spender ist nur ein Werkzeug:
„Der Herr Jesus selbst hat gesagt: ‚Das ist mein Leib‘“ (vgl. De Sacramentis, 4,14).
👉 Das ruft uns zu einer Haltung des Glaubens und der Ehrfurcht auf: Wir nehmen nicht an leeren Ritualen teil, sondern begegnen dem lebendigen Christus.
b. Die Eucharistie ist reale Gegenwart
Ambrosius bekennt mutig den Glauben an die Transsubstantiation – noch bevor es das Wort gab:
„Dieses Brot ist vor den sakramentalen Worten Brot; sobald aber die Worte gesprochen werden, wird es Leib Christi.“
(De Sacramentis, 4,4)
👉 Ein Aufruf, unseren eucharistischen Glauben zu erneuern und die Messe mit Staunen und Dankbarkeit zu leben.
c. Symbolik als Pädagogik
Jede Geste, jedes Wort und jedes Element der Liturgie hat Bedeutung: Wasser reinigt, Chrisam heiligt, Brot nährt, Wein erfreut. Nichts ist überflüssig. Alles weist auf eine innere Verwandlung hin.
👉 Unsere Teilnahme soll nicht mechanisch sein, sondern bewusst. Je mehr wir verstehen, desto mehr leben wir.
4. Eine dringende Lehre für die Kirche von heute
In einer Zeit, in der von „Langeweile in der Messe“ oder vom Bedürfnis nach neuen Ausdrucksformen die Rede ist, erinnert uns Ambrosius: Erneuerung beginnt nicht bei der Form, sondern beim Wesen.
Es geht nicht darum, die Messe „unterhaltsamer“ zu gestalten, sondern die Gläubigen zur Tiefe des Mysteriums zurückzuführen.
Wie Papst Benedikt XVI. sagte:
„Die Liturgie ist nicht in erster Linie etwas, das wir tun. Sie ist das Handeln Gottes in uns und mit uns.“
(Sacramentum Caritatis, 37)
Der heilige Ambrosius ruft uns auf, die Sakramente nicht auf soziale Bräuche oder leere Rituale zu reduzieren, sondern sie als radikale Erfahrungen des österlichen Geheimnisses zu leben.
5. Praktische Anwendungen: De Sacramentis heute leben
a. Entdecke deine Taufe neu
- Bete täglich als Kind Gottes: „Alle, die sich vom Geist Gottes führen lassen, sind Kinder Gottes.“ (Römer 8,14)
- Erinnere dich an dein Taufdatum und feiere es.
- Bekreuzige dich bewusst mit Weihwasser beim Betreten der Kirche.
b. Erneuere deine Beziehung zur Eucharistie
- Komm früher zur Messe. Bete vorher. Bereite dein Herz vor.
- Lies die Lesungen im Voraus. Meditiere das Evangelium.
- Geh mit Glaube und Ehrfurcht zur Kommunion – du empfängst Christus selbst.
- Verbringe jede Woche eine Stunde in eucharistischer Anbetung.
c. Nimm aktiv teil, nicht passiv
- Antworte, singe, bete mit. Die Liturgie ist kein Schauspiel, sondern ein Dialog mit Gott.
- Engagiere dich im liturgischen Dienst (Lektor, Chor, Kommunionhelfer, Sakristan…).
- Hilf Kindern zu verstehen, was sie sehen. Sei ein Wegweiser, kein Zuschauer.
d. Bilde dein liturgisches Bewusstsein
- Lies den Katechismus (besonders §§1066–1209).
- Nimm an liturgischen Bildungsangeboten in deiner Pfarrei teil.
- Lerne die Zeichen, Symbole und Gesten der Messe – sie sind Wege zu Gott.
6. Schlusswort: Zurück zum Herzen
Ambrosius war kein Reformer oder Innovator. Er war ein Zeuge. Sein Werk bietet keine Neuheit, sondern Treue zu dem, was die Kirche seit den Aposteln geglaubt und gefeiert hat. De Sacramentis ist kein totes Buch – es ist ein Echo des Geistes, das heute noch an jedem Altar der Welt widerhallt.
Heute, in einer Welt, die eine Wiederentdeckung des Heiligen dringend braucht, bietet uns die Liturgie einen Schatz. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, die Messe zu „besuchen“, sondern müssen uns von ihr verwandeln lassen – wie die Neugetauften, die Ambrosius unterwies.
Christus wirkt immer noch. Der Altar brennt weiter. Der Taufbrunnen steht offen.
„Erhebe dein Herz. Wenn du glaubst, hast du Vergebung empfangen. Glaube, dass deine Sünden vergeben wurden. Nicht der Mensch hat es getan, sondern Gott.“
(De Sacramentis, 1,31)
Geistlicher und pastoraler Leitfaden: Was kann ich diese Woche tun?
✅ Montag: Danke im Gebet für deine Taufe. Suche ein Foto oder eine Erinnerung an diesen Tag.
✅ Dienstag: Lies Römer 6,3–11 und meditiere über dein Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus.
✅ Mittwoch: Besuche eine Stunde eucharistische Anbetung – oder plane sie fest ein.
✅ Donnerstag: Lies den Katechismus §§1322–1419 zur Eucharistie.
✅ Freitag: Halte ein kleines Fasten und opfere es für die liturgische Erneuerung auf.
✅ Samstag: Bereite dich liebevoll auf die sonntägliche Messe vor.
✅ Sonntag: Lebe die Messe wie Ambrosius – mit Staunen, Glauben und Dankbarkeit.
Heiliger Ambrosius, weiser Hirte und Meister der Mysterien,
lehre uns, den verborgenen Schatz der Liturgie wiederzuentdecken.
Lass uns mit dem Herzen glauben, was wir feiern,
und mit Liebe leben, was wir glauben. Amen.