Einleitung: Ein Skandal vor den Augen der Welt
Am 9. Oktober 1958 trauerte die katholische Welt um einen geistlichen Giganten: Papst Pius XII. Der Pastor Angelicus, wie man ihn nannte, hatte die Kirche durch die dunkelsten Jahre des 20. Jahrhunderts geführt – durch den Zweiten Weltkrieg, den Nationalsozialismus, den Kommunismus und die ersten Herausforderungen des modernen Säkularismus. Was jedoch ein feierlicher, würdiger und heiliger Abschied hätte sein sollen, verwandelte sich in ein groteskes und schmerzhaftes Spektakel: Das schreckliche Begräbnis von Pius XII. bleibt eines der beschämendsten Kapitel in der jüngeren Geschichte des Vatikans.
Was mit seinem Leichnam nach seinem Tod geschah, schockierte nicht nur Rom, sondern bietet uns heute – mehr als ein halbes Jahrhundert später – eine tiefgreifende Lektion über die menschliche Zerbrechlichkeit, die Gefahren des Stolzes, die Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Todes und den Wert echter Heiligkeit.
I. Der Papst des Schweigens… und des Leidens
Um das Ausmaß des Skandals zu verstehen, muss man zunächst den Mann kennen, der Pius XII. war. Eugenio Pacelli wurde 1876 geboren und 1939 zum Papst gewählt. Sein Pontifikat war geprägt von außerordentlicher diplomatischer Weisheit, einer prophetischen Sicht auf die moderne Zeit und einer tiefen Liebe zu Christus und der Kirche. Seine angebliche „Neutralität“ während des Zweiten Weltkriegs war Gegenstand ungerechter Kontroversen, doch viele zeitgenössische Zeugnisse – auch von geretteten Juden – erkennen in Pius XII. einen stillen, aber wirksamen Verteidiger der Verfolgten.
Dieser Papst lebte in bewundernswerter Askese. Er fastete streng, schlief wenig und verbrachte lange Stunden im Gebet. Er starb in Castel Gandolfo, wie ein wahrer Diener Gottes. Doch weder er noch irgendjemand sonst konnte die Tragödie voraussehen, die folgen sollte.
II. Der Verantwortliche für das Desaster: Der Arzt, der sich für einen Balsamierer hielt
Der Protagonist dieser Tragödie war kein äußerer Feind, sondern sein eigener Leibarzt, der umstrittene Riccardo Galeazzi-Lisi. Dieser Mann, dessen Ego seiner Unvorsichtigkeit gleichkam, sah sich als unverzichtbare Figur im Vatikan. Mit seiner Rolle als Arzt war er nicht zufrieden – er wollte glänzen… selbst über den Tod des Papstes hinaus.
Entgegen allen Warnungen und Protokollen beschloss Galeazzi-Lisi, eine „natürliche“ Einbalsamierungsmethode zu erproben, die seiner Meinung nach die Integrität des Körpers respektieren und ihn ohne Ausweidung oder Chemikalien konservieren würde. Sein Rezept bestand aus Essig, aromatischen Kräutern, Harz und einer hermetisch verschlossenen Glaskammer. Laut ihm sei dies eine Hommage an die altägyptischen Techniken, kombiniert mit moderner Medizin.
Doch die Realität war eine Katastrophe.
III. Ein verwesender Körper… vor den Augen der Welt
Anstatt den Leichnam zu erhalten, beschleunigte Galeazzi-Lisis „Technik“ den Verwesungsprozess dramatisch. Sehr schnell begann der Leichnam von Papst Pius XII. anzuschwellen und einen abscheulichen Geruch abzugeben, noch bevor er Rom für die Beisetzungszeremonien erreichte. Sein Gesicht entstellte sich. Seine Haut riss auf und schwärzte sich. Während der öffentlichen Aufbahrung in St. Peter berichteten Zeugen, dass der Körper durch die inneren Gase „platzte“.
Es wurde sogar berichtet – obwohl dies umstritten ist – dass ein Notfalleingriff nötig war, um bestimmte Körperteile zu versiegeln. Die Glaskammer, die seine Würde bewahren sollte, machte seinen posthumen Zustand zu einem grotesken Spektakel. Ein italienischer Journalist schrieb: „Noch nie ist ein Papst zweimal gestorben… zuerst im Fleisch, dann im Gedächtnis.“
Die Empörung war so groß, dass der Vatikan Galeazzi-Lisi sofort entließ und aus dem päpstlichen Umfeld verbannte. Sein Versuch, Fotos des Papstleichnams vor der Zersetzung zu veröffentlichen, verschlimmerte den Skandal noch weiter. Es war eine Schande ohnegleichen.
IV. Theologische und geistliche Lehren aus einem demütigenden Begräbnis
Warum sollte man sich an so etwas Düsteres erinnern? Welchen Sinn hat es, sich an ein so unwürdiges Begräbnis zu erinnern?
Die Antwort liegt in der Pädagogik der göttlichen Vorsehung. Die Geschichte dieses Begräbnisses ist wie ein lebendiges Gleichnis, das uns mit unserem menschlichen Elend konfrontiert und einlädt, über das Sichtbare hinauszuschauen. Der Tod – selbst der eines heiligen Papstes – kann grotesk sein, wenn es an Demut, Gehorsam und Ehrfurcht vor dem Geheimnis fehlt.
„Du bist Staub, und zum Staub kehrst du zurück.“ (Genesis 3,19)
Diese Wahrheit ist nicht nur eine physische Erinnerung, sondern auch eine geistige: Die Herrlichkeit des Menschen liegt in seiner Seele, nicht in seinem äußeren Anschein.
- Eitelkeit der Eitelkeiten: Galeazzi-Lisi verkörpert die moderne Eitelkeit, die experimentieren, auffallen und dominieren will. In seinem Drang zur Innovation demütigte er den Papst. Tun wir nicht Ähnliches, wenn wir nur gut erscheinen, statt wirklich in der Gnade zu leben?
- Die Würde des Todes: Der menschliche Körper ist ein Tempel des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 6,19) – auch nach dem Tod. Der Respekt vor dem Leichnam ist ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit. Diese Tragödie erinnert uns an die Bedeutung der Begräbnisliturgie, des Rituals, der Stille und des Gebets für die Seelen.
- Der Skandal als Reinigung: Pius XII. litt im Leben wie im Tod. Seine letzte Demütigung spricht von der Reinigung, die viele heilige Seelen durchmachen, um zur Herrlichkeit zu gelangen. Es ist nicht so, dass „Gott den Papst nicht beschützt“ hätte, sondern dass Er eine letzte Demütigung zuließ, um seine Seele zu erhöhen.
V. Praktische Anwendungen für das tägliche Leben
Diese Episode sollte nicht als makabre Anekdote abgetan werden. Sie spricht zu uns, heute, in einer Welt, die das Äußere verherrlicht, den Tod verachtet und dem Leiden entflieht:
- Die Würde des Körpers neu wertschätzen: In einer Kultur, die Euthanasie und Abtreibung fördert, ruft uns diese Geschichte dazu auf, die Heiligkeit des menschlichen Körpers von der Empfängnis bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.
- Sich im Glauben auf den Tod vorbereiten: Bin ich in einem Zustand der Gnade? Habe ich überlegt, wie ich sterben möchte, welche Art von Begräbnis ich wünsche, welches geistliche Erbe ich hinterlassen will?
- Demut bis in den Tod: Viele planen Mausoleen, Ehrungen, posthume Applausbekundungen. Doch der wahre christliche Weg besteht darin, das Kreuz zu umarmen – ohne Spektakel, ohne Eitelkeit. Wie Christus, der vom Kreuz genommen, in ein Leinentuch gewickelt und in der Stille begraben wurde.
VI. Ein Papst, der im Gedächtnis der Gläubigen aufersteht
Trotz seines schrecklichen Begräbnisses lebt das Andenken an Pius XII. mit Kraft wieder auf. Viele Gläubige betrachten ihn als Heiligen. Sein Seligsprechungsverfahren ist im Gange, und Zeugnisse von Wundern und empfangenen Gnaden durch seine Fürsprache werden weiterhin gesammelt.
Der Schrecken seines Begräbnisses hat sein Erbe nicht ausgelöscht – er hat es gereinigt. Denn Heilige glänzen nicht durch die Art ihres Sterbens, sondern durch die Art ihres Lebens. Und Eugenio Pacelli hat sein Leben mit Liebe, Klugheit, Treue und Heldenmut hingegeben. Seine letzte Demütigung ist ein neues Kapitel in der Geschichte der Märtyrer des Geistes.
Schlussfolgerung: Vom Skandal zum Zeugnis
Das schreckliche Begräbnis von Papst Pius XII. ist nicht nur eine dunkle Fußnote der vatikanischen Geschichte. Es ist ein geistlicher Spiegel. Es zeigt uns, wie Gott Gutes aus dem Bösen ziehen kann, wie das Leiden erlösend wirken kann und wie wahre christliche Herrlichkeit nicht in einem unversehrten Körper, sondern in einer Seele liegt, die für Christus brennt.
„Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ (Matthäus 5,4)
Möge das stille Zeugnis von Pius XII., selbst in seinem grotesken Tod, uns inspirieren, in Demut zu leben, in Gnade zu sterben und stets das Ewige über das Sichtbare zu suchen. Seine Geschichte ist ein Schrei gegen die Eitelkeit und ein Hymnus an die wahre Heiligkeit.