„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Matthäus 12,30)
Lieber Freund, liebe Freundin, lass uns einen Moment innehalten. Sprechen wir über etwas Wesentliches, das den Kern unseres Seins und unserer Zukunft berührt: die Erziehung unserer Kinder, der neuen Generationen. Heute kursiert eine verführerische, aber zutiefst trügerische Idee: die einer „religiös neutralen Bildung“. Man sagt uns, dies sei die gerechteste, modernste Lösung, die Konflikte vermeide. Aber ist das möglich? Ist es überhaupt wünschenswert? Als jemand, der tief in den Glauben und die Geschichte der Kirche eingetaucht ist, sage ich dir mit Überzeugung und Liebe: Es gibt keine religiös neutrale Bildung. Es ist eine gefährliche Illusion, eine Aufgabe unserer heiligsten Verantwortung.
Woher kommt dieser Mythos? Ein kurzer historischer Überblick
Diese Neutralitätsidee kommt nicht aus dem Nichts. Sie ist Frucht philosophischer und sozialer Strömungen, die seit der Aufklärung an Kraft gewannen und sich im 20. Jahrhundert beschleunigten:
- Radikaler Laizismus: Der nicht einfach eine gesunde Trennung von Kirche und Staat anstrebt (was die Kirche selbst in ihrem Bereich vertritt), sondern die vollständige Verbannung Gottes und der Religion aus dem öffentlichen Leben, einschließlich der Bildung. Er will einen „leeren Raum“ ohne transzendente Werte schaffen.
- Relativismus: Der Glaube, „alle Religionen seien gleich“ oder „keine besitze die ganze Wahrheit“. Wenn alles subjektive Meinungen sind, warum dann eine bestimmte lehren? Besser „neutral“ bleiben. Doch Christus sagte nicht „Ich bin eine Meinung“, sondern: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Johannes 14,6)
- Konfliktangst: In zunehmend pluralistischen Gesellschaften glauben einige, Religion zu ignorieren sei der einfachste Weg zum Frieden. Doch Schweigen über Gott bringt keinen echten Frieden, sondern Leere, Verwirrung und letztlich neue Konflikte ohne gemeinsame moralische Grundlagen.
Theologische Unmöglichkeit: Warum „Neutralität“ eine Illusion ist
Der katholische Glaube bietet eine klare, tiefgründige Sicht auf den Menschen und die Welt, gegründet auf Offenbarung und von Glauben erleuchteter Vernunft. Aus dieser Perspektive ist religiöse Neutralität aus grundlegenden Gründen eine Chimäre:
- Der Mensch ist von Natur aus religiös (Homo Religiosus): Augustinus drückte es mit ewiger Schönheit aus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Herr.“ (Bekenntnisse I,1). Sinnsuche, Transzendenz, Verbindung mit dem Göttlichen sind Wesensmerkmale des Menschen. Bildung, die dies ignoriert, verstümmelt die menschliche Person.
- Jede Bildung vermittelt ein Menschen- und Weltbild (Anthropologie): Wer ist der Mensch? Zufallsprodukt der Evolution? Konsument? Wurzelloser Bürger? Oder Ebenbild Gottes (Genesis 1,27), erlöst durch Christus, zur ewigen Leben bestimmt? Jeder Geschichts-, Wissenschafts-, Literatur- oder Ethikunterricht beantwortet dies implizit oder explizit. Bildung ohne Gott vermittelt de facto ein materialistisches, säkularisiertes Menschenbild. Das ist keine Neutralität – es ist eine ganz bestimmte Weltanschauung!
- Die Wahrheit existiert und ist Christus: Die Kirche verkündet, dass in Jesus Christus Gottes Antlitz und der Sinn des Menschen vollkommen offenbart sind. „Neutralität“ dagegen bedeutet praktisch, dies als irrelevant oder privat abzutun. Doch Christus beansprucht das ganze Leben, auch den Verstand. Neutralität ist hier subtile Ablehnung. Wir können nicht zwei Herren dienen (Matthäus 6,24).
- Gnade setzt Natur voraus, vollendet sie aber: Thomas von Aquin lehrt: Die göttliche Gnade zerstört die menschliche Natur nicht, sondern setzt sie voraus, heilt und erhebt sie. „Neutrale“ (d.h. säkulare) Bildung mag natürliche Fähigkeiten entwickeln, lässt die Seele aber durstig – ohne das lebendige Wasser, das nur Christus gibt (Johannes 4,14). Sie ignoriert die Wunde der Erbsünde und das Heilserfordernis.
Folgen des Trugbildes: Der Preis der „Neutralität“
Diese falsche Neutralität ist nicht harmlos. Ihre bitteren Früchte sehen wir bereits:
- Existentielle Leere und Ersatzbefriedigungen: Orientierungslose Jugend, leichte Beute für radikale Ideologien, Süchte, Konsumwahn oder seichte New-Age-Spiritualität.
- Moralischer Relativismus: Wenn Gott nicht existiert oder irrelevant ist, wer bestimmt Gut und Böse? Moral wird zum wandelbaren Gesellschaftskonsens oder subjektivem Gefühl – was zu Verwirrung und Sündenvergessenheit führt.
- Verlust christlicher Kulturidentität: Die christlichen Wurzeln des Westens verblassen, eine gedächtnislose Gesellschaft entsteht.
- Schwächung des Glaubens in neuen Generationen: Wenn Glaube nicht als relevant, stimmig und schön in allen Lebensbereichen – auch der Bildung – dargestellt wird, gilt er als nebensächlich, privat und letztlich entbehrlich.
Praktischer Leitfaden: Authentisch katholische Bildung in einer säkularen Welt
Was tun? Nicht klagen, sondern liebevoll und konsequent handeln. Hier ein theologisch-pastoraler Leitfaden:
1. In der Familie: Das „Hausheiligtum“ (Erstes und wichtigstes Seminar)
* Lebt euren Glauben authentisch und freudig: Kinder lernen mehr durch Vorbilder als durch Worte. Gebet (einzeln und gemeinsam), häufige Sakramentenempfang (v.a. Eucharistie und Beichte), tätige Nächstenliebe und Moral müssen Alltag sein. Feiert liturgische Feste.
* Sprecht natürlich über Gott: Nicht nur zur „Katechismusstunde“. Bindet den Glauben ins tägliche Leben ein: beim Schöpfungslob, bei Problemen, im Dank. Beantwortet Fragen altersgemäß.
* Fortbildung der Eltern: Man kann nicht geben, was man nicht hat. Vertieft euer Glaubenswissen (Katechismus, Bibel, Lehramt) und euer geistliches Leben. Studienkreise, Exerzitien, Vorträge.
* Achtet auf Umfeld und Einflüsse: Behutsam, ohne zu ersticken. Seid euch bewusst, was eure Kinder konsumieren (TV, Internet, soziale Medien, Freundeskreis). Bietet gute Alternativen: Bücher, Musik, Kunst, Natur, apostolische Aktivitäten.
2. Bei der Schulwahl: Mehr als nur Akademisches
* Klare katholische Identität suchen: Kein vages „christliches Ambiente“. Prüft: Hat die Schule ein klares katholisches Profil? Stehen Leitung und Lehrer dahinter? Wird Religion seriös und als Kernelement unterrichtet? Werden Sakramentenleben und Gebet gefördert?
* Kohärenz einfordern: Die katholische Sicht des Menschen muss alle Fächer durchdringen – nicht nur Religion. Anthropologie, Ethik, Geschichte und Wissenschaften sollen im Licht des Glaubens gelehrt werden, in Harmonie von Vernunft und Offenbarung. Verteidigt das Naturrecht.
* Aktiv mitwirken: In Schulgremien (Elternbeiräte etc.). Pastoralprojekte unterstützen. Konstruktiv die katholische Identität stärken.
3. In der Gesellschaft: Mutige Zeugen der Wahrheit
* Recht auf Religionsunterricht verteidigen: Der Staat muss Elternrecht auf katholische Bildung wirklich (nicht nur auf dem Papier) garantieren – auch an staatlichen Schulen (als echte Qualitätsoption).
* Laizismus als „Neutralität“ entlarven: Liebevoll aber klar aufzeigen, wenn säkulare Weltanschauung als einzig „neutral“ oder „objektiv“ dargestellt wird. Es ist eine bestimmte Sichtweise.
* Licht in der Welt sein: Lebt euren Glauben konsequent in Beruf, Nachbarschaft, Beziehungen. Euer Leben soll für die Schönheit des Evangeliums sprechen. Bildung geschieht auch durch Zeugnis.
* Katholische Initiativen unterstützen: Pfarreien, apostolische Bewegungen, katholische Universitäten, Medien. Sie sind Leuchttürme.
4. Persönlich: Der lernende Jünger
* Glaubenswissen vertiefen: Katechismus studieren, regelmäßig Bibel lesen (Lectio Divina ist ein Schatz!), Lehramt kennenlernen, Heilige und Kirchenlehrer lesen.
* Gebets- und Sakramentenleben stärken: Eure Christusbeziehung ist Quelle echter Glaubensbildung. Ohne tiefe Wurzeln keine Früchte.
* Um Weisheit bitten: Zum Unterscheiden der Geister, zum rechten Wort, zur geduldigen, liebevollen Weitergabe – selbst in verwirrter Zeit.
Schluss: Die Dringlichkeit der Stunde
Freund, die Herausforderung ist groß, aber die Hoffnung größer. Lasst nicht zu, dass der Neutralitätsmythos unseren Kindern die Seele raubt! Erziehung ist Liebesakt, und größte Liebe ist, für andere das höchste Gut zu wollen: Gott selbst.
Erinnern wir uns an Paulus‘ Worte an Timotheus, heute besonders aktuell:
„Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unendlicher Geduld und Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer häuft, weil die Ohren jucken; und man wird die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zuwenden.“ (2 Timotheus 4,2-4)
Diese Zeit ist in vieler Hinsicht da. Darum brauchen wir mehr denn je mutige Eltern, Erzieher, Priester, Bischöfe und Laien, die verstehen: Es gibt keine Abkürzungen, keine Neutralität, wenn es um das Seelenheil geht. Übernehmen wir mit Freude und Verantwortung diese heilige Aufgabe ganzheitlicher Bildung – nicht nur der Köpfe, sondern der Herzen und Seelen für Christus und die Ewigkeit.
Bildung, die Gott zum Schweigen bringt, ist nicht neutral – sie ist ein Urteil zur geistlichen Wüste. Wählen wir mutig und liebevoll, den Seelengarten mit dem Lebendigen Wasser der Wahrheit zu tränken.
Maria, Sedes Sapientiae (Sitz der Weisheit), führe uns in dieser unersetzlichen Mission.