Bevor der Hahn kräht: Die drei Verleugnungen des Petrus – und unsere eigenen

Einleitung: Eine Geschichte, die uns alle betrifft

Unter all den bewegenden und dramatischen Szenen der Evangelien gibt es wenige, die uns so tief berühren wie die dreifache Verleugnung Jesu durch den Apostel Petrus. Diese Geschichte ist nicht nur ein historisches Ereignis – sie ist ein Spiegelbild unserer eigenen Seele. Petrus ist keine Figur aus längst vergangener Zeit: Er ist das Bild des menschlichen Herzens – schwach, ängstlich, aber unendlich geliebt von Gott.

In diesem Artikel lade ich dich ein, die drei Verleugnungen des Petrus neu zu entdecken – nicht als bloße Untreue, sondern als eine göttliche Pädagogik der Barmherzigkeit und der Liebe. Wir werden den biblischen und historischen Kontext betrachten, die theologische Symbolik vertiefen und vor allem aufzeigen, was diese Szene heute mit unserem Leben zu tun hat. Denn auch wir verleugnen. Auch wir weinen. Und auch wir dürfen – und sollen – wieder lieben.


1. Biblischer und historischer Kontext: Was genau ist geschehen?

Die Szene wird in allen vier Evangelien erzählt, doch besonders eindrucksvoll ist sie bei Lukas (Lk 22, 54–62). Es ist die Nacht der Gefangennahme Jesu im Garten Getsemani. Die Jünger fliehen, aber Petrus folgt Jesus – zusammen mit Johannes – aus der Ferne. Zerrissen zwischen Angst und Treue.

Jesus wird in das Haus des Hohenpriesters gebracht. Draußen versammelt sich das Volk um ein Feuer. Es ist dunkel und kalt. Petrus steht unter ihnen. Und dann geschieht es:

  • Eine Magd erkennt ihn: „Auch du warst mit ihm!“
  • Ein anderer sagt: „Du bist auch einer seiner Jünger!“
  • Schließlich: „Deine Sprache verrät dich!“

Und dreimal antwortet Petrus: „Ich kenne ihn nicht.“
Nicht nur eine Ausrede – eine vollständige Verleugnung seines Freundes, seines Meisters, seines Gottes.

Und dann kräht der Hahn.
Jesus wendet sich um und sieht Petrus an.
Petrus erinnert sich an die Worte Jesu: „Noch ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“
Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

Ein Zusammenbruch. Und zugleich der Anfang der Heilung.


2. Warum hat er verleugnet? Das menschliche Herz in der Angst

Petrus war kein Feigling. Er war mutig: Er ging über das Wasser, zog im Garten das Schwert, bekannte Jesus als „den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes“. Und doch fällt er. Warum?

Die Antwort ist zutiefst menschlich: Angst. Angst vor Verfolgung, vor Ablehnung, vor Schmerz und Tod.
Aber auch: ein unvollständiges Verständnis vom Messias. Petrus wollte einen siegreichen Retter, nicht einen gekreuzigten. Sein Glaube war echt, aber noch nicht gereift. Seine Liebe wahr, aber noch nicht durch das Kreuz geläutert. Er war noch nicht gestärkt durch den Heiligen Geist, der erst an Pfingsten kommen würde.

Petrus fiel nicht aus Bosheit, sondern aus Schwäche. Und das ist entscheidend.


3. Die drei Verleugnungen: Symbolik und theologische Bedeutung

Die dreifache Verleugnung ist kein Zufall. In der christlichen Symbolik steht die Zahl drei für Vollständigkeit, Ganzheit. Petrus fiel nicht nur ein bisschen – er fiel ganz.

Jede Verleugnung steht für eine Dimension unserer eigenen Untreue:

  • Die erste: Mit den Lippen. Wenn wir unseren Glauben verschweigen. Wenn wir uns schämen, über Gott zu sprechen.
  • Die zweite: Mit den Taten. Wenn unser Verhalten dem Evangelium widerspricht. Wenn wir als Christen leben – aber ohne Christus.
  • Die dritte: Im Herzen. Wenn wir innerlich den Glauben verlieren. Wenn wir gleichgültig oder bitter werden.

Petrus ist nicht nur der, der dreimal gefallen ist. Er ist der, der neu anfangen durfte. Und das macht ihn so tief menschlich und so zutiefst christlich.


4. Und Jesus sah ihn an: Die Kraft eines Blickes

Einer der bewegendsten Momente:
„Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an.“ (Lk 22,61)

Dieser Blick war kein Vorwurf. Es war ein Blick voller Liebe, voller Schmerz, voller Wahrheit. Ein Blick, der das Herz aufbricht.

Der heilige Ambrosius schrieb: „Petrus weinte, weil der Herr ihn ansah.“
Reue entsteht nicht nur aus Schuldgefühl – sondern aus der Begegnung mit dem Blick Jesu.
Ein Blick, der sagt: „Ich kenne dich. Ich liebe dich. Ich warte auf dich.“

Das ist der Moment der wahren Umkehr. Kein moralisches Reuegefühl, sondern ein durchbohrtes Herz.


5. Die Versöhnung: Dreifache Verleugnung, dreifache Liebe

Gott lässt keine Geschichte unvollendet.
Wie Petrus Jesus dreimal verleugnet hat, so lässt Jesus ihn dreimal die Liebe bekennen.

Am See von Tiberias, nach der Auferstehung, fragt Jesus ihn:

„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“
„Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“
(Joh 21, 15–19)

Und das dreimal.
Jesus vergibt nicht nur – er erneuert die Berufung.
„Weide meine Schafe“, sagt er.

Aus dem Versager wird der Hirte.
Aus dem Gefallenen wird der Fels.
Denn Gott beruft nicht die Perfekten – er vollendet die Berufenen.


6. Petrus – das sind wir alle: Ein Blick auf unser Heute

Der Hahn kräht nicht mehr laut hörbar – aber die Verleugnungen wiederholen sich täglich.
In einer Welt, die Wahrheit relativiert, Glauben verspottet und das Heilige banalisiert, ist Treue ein Wagnis.

Wir verleugnen wie Petrus, wenn:

  • Wir uns schämen, katholisch zu sein.
  • Wir aus Angst schweigen, wo wir reden sollten.
  • Wir Kompromisse mit der Welt eingehen.
  • Wir Glaubensinhalte verwässern, um beliebt zu bleiben.
  • Wir zur Messe gehen, ohne das Herz zu öffnen.

Doch wie Petrus dürfen auch wir umkehren.

Die Kirche ist kein Verein der Reinen.
Sie ist der Ort, an dem die Gefallenen dem Blick Jesu begegnen dürfen.
Und dieser Blick heilt.


7. Was tun, wenn wir ihn verleugnet haben?

Petrus zeigt uns den Weg:

  1. Nicht weglaufen. Er blieb – auch aus der Ferne – bei Jesus.
  2. Die Schuld erkennen. Ohne Ausreden.
  3. Weinen. Mit einem Herzen, das liebt.
  4. Sich anschauen lassen. Den Blick Jesu zulassen.
  5. Die Liebe bekennen. Trotz aller Fehler.
  6. Sich senden lassen. Das Vergeben-Sein fruchtet in der Mission.

Schluss: Der Hahn kräht noch immer

Jede halbherzige Beichte, jede mechanische Kommunion, jedes Schweigen aus Bequemlichkeit – der Hahn kräht.

Aber auch bei jedem aufrichtigen „Vergib mir“, jeder Umkehr, jeder echten Begegnung mit dem Herrn – kräht er neu. Und erinnert uns: Es ist nie zu spät.

Heute noch blickt Jesus dich an.
Wirst du ihn verleugnen – oder bekennen?
Wirst du fliehen – oder ihm begegnen?
Wirst du schweigen – oder von seiner Liebe sprechen?

Petrus war nicht perfekt – aber er war treu in der Reue.
Und das ist es, was der Herr sucht:
Nicht Perfektion, sondern ein Herz, das immer wieder zurückkommt.

Denn Heiligkeit heißt nicht, nie zu fallen…
Heiligkeit heißt, sich immer wieder von Christus aufrichten zu lassen.


Und du?
Was wirst du tun, wenn der Hahn kräht?

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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