Jedes Jahr zu Beginn der Fastenzeit legt der Priester den Gläubigen Asche auf die Stirn und spricht dabei eine kraftvolle Aufforderung: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“ Diese Worte aus dem Markusevangelium (Mk 1,15) sind nicht nur eine fromme Einladung, sondern ein dringender Aufruf zur inneren Umkehr, zu einem authentischen Glauben und zu einem Leben in Fülle.
Umkehr und Glaube an das Evangelium sind keine abstrakten Konzepte oder leere Rituale, sondern konkrete Wege, die uns zur Begegnung mit Christus führen – dem einzigen, der unserem Leben Sinn geben kann. In diesem Artikel wollen wir die Bedeutung dieser Worte, ihre theologische Relevanz und ihre praktische Anwendung im Alltag eingehend betrachten.
1. Was bedeutet Umkehr?
Umkehr ist nicht einfach nur eine Verhaltensänderung oder der Entschluss, ein „besserer Mensch“ zu werden. Im biblischen Kontext bedeutet Umkehr eine radikale Veränderung von Geist und Herz, eine vollständige Hinwendung zu Gott. Das griechische Wort, das im Neuen Testament für „Umkehr“ verwendet wird, ist metanoia, was eine tiefgreifende Änderung der Denkweise und Lebensführung bedeutet.
Dieser Prozess umfasst:
- Die eigene Zerbrechlichkeit erkennen: „Du bist Staub und zum Staub kehrst du zurück“ (Gen 3,19). Die Asche auf unserer Stirn erinnert uns daran, dass unser irdisches Leben vergänglich ist und wir Gott brauchen.
- Aufrichtige Reue empfinden: Es reicht nicht, nur Bedauern über unsere Sünden zu verspüren; wir müssen den tiefen Wunsch haben, uns zu verändern und mit Gott sowie unseren Mitmenschen wieder ins Reine zu kommen.
- Auf den Weg der Heiligkeit zurückkehren: Umkehr ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Das christliche Leben ist eine Pilgerreise zur Heiligkeit, bei der jeder Tag eine neue Gelegenheit ist, sich Gott zu nähern.
Unsere Umkehr hängt nicht von unserer eigenen Kraft ab, sondern von der Gnade Gottes. Wie der heilige Paulus sagt: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen“ (1 Kor 15,10).
2. Was bedeutet es, an das Evangelium zu glauben?
Glaube bedeutet nicht nur, dass man an die Existenz Gottes glaubt oder die Lehren der Kirche kennt. An das Evangelium zu glauben bedeutet:
- Die Frohe Botschaft mit offenem und bereitem Herzen anzunehmen. Das Evangelium ist nicht nur ein Buch, sondern die lebendige Botschaft des Heils, die das Leben verändert.
- Gott vollständig zu vertrauen. Echter Glaube bedeutet, sich nicht auf sich selbst zu verlassen, sondern darauf, dass Gott unser Leben lenkt – auch in Prüfungen und Dunkelheit.
- Die Lehren Christi in die Tat umzusetzen. „Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot“ (Jak 2,17). Wer an das Evangelium glaubt, lebt nach seinen Werten: Nächstenliebe, Wahrheit, Demut und völlige Hingabe an Gott und die Mitmenschen.
Jesus ruft uns nicht zu einem lauwarmen oder oberflächlichen Glauben auf. Er erwartet von uns eine vollständige Hingabe: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23).
3. Die Asche: Symbol unserer Zerbrechlichkeit und Ruf zur Umkehr
Die Asche, die wir am Aschermittwoch empfangen, erinnert uns an drei wesentliche Wahrheiten:
- Unsere Vergänglichkeit: „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (Gen 3,19). In einer Welt, die auf Erfolg und Selbstverwirklichung fokussiert ist, erinnert uns die Asche daran, dass unser Leben vergänglich ist und nur Gott Bestand hat.
- Die Nichtigkeit menschlicher Sicherheiten: Wir suchen oft Erfüllung in Geld, Macht oder Vergnügen. Die Asche konfrontiert uns mit der Realität: Alles Materielle vergeht – nur Gott bleibt.
- Unsere Notwendigkeit der göttlichen Barmherzigkeit: Wir sind schwach und sündig, doch Gott bietet uns seine unendliche Liebe an. Er wird niemals müde, uns zu vergeben und uns zu sich zu rufen.
4. Wie können wir diesem Ruf im Alltag folgen?
Der Ruf zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium gilt nicht nur für die Fastenzeit, sondern für jeden Tag unseres Lebens. Einige konkrete Wege, darauf zu antworten, sind:
A. Das Gebet vertiefen
Gebet ist der erste Schritt zur aufrichtigen Umkehr. Der heilige Augustinus sagte: „Wer gut betet, lebt gut.“ Nehmen Sie sich täglich Zeit, mit Gott zu sprechen, in der Heiligen Schrift zu lesen und seine Stimme in der Stille zu hören.
B. Regelmäßig beichten
Das Sakrament der Versöhnung ermöglicht uns, die Barmherzigkeit Gottes zu erfahren. Die Beichte dient nicht nur dazu, „Sünden zu tilgen“, sondern stärkt unsere Seele im geistlichen Kampf.
C. Die Nächstenliebe praktizieren
Jesus lehrte uns, dass die Liebe zum Nächsten das Erkennungsmerkmal seiner Jünger ist (vgl. Joh 13,35). Das Evangelium zu leben bedeutet konkret zu lieben: zu vergeben, zu helfen, zu dienen und unser Leben für andere hinzugeben.
D. Aufgeben, was uns von Gott entfernt
Jeder von uns kennt seine eigenen Fesseln: schlechte Gewohnheiten, Laster, Stolz, Groll… Umkehr bedeutet, täglich gegen das zu kämpfen, was uns von Christus trennt.
E. Das Evangelium mutig verkünden
An das Evangelium zu glauben bedeutet auch, es mit anderen zu teilen. In einer Welt, die sich zunehmend von Gott entfernt, sind Christen aufgerufen, Licht und Zeugnis der Hoffnung zu sein.
Fazit: Ein Weg der Hoffnung und Ewigkeit
Die Worte „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ sind keine Drohung, sondern eine Einladung zur Hoffnung. Gott ruft uns nicht zur Umkehr, um uns zu erniedrigen, sondern um uns zu erheben, um uns an seinem ewigen Leben teilhaben zu lassen.
Heute mehr denn je, in einer Welt, die nach Antworten in Vergänglichem sucht, bietet Christus uns die einzige Antwort, die das menschliche Herz wirklich erfüllt: Seine Liebe, seine Vergebung und sein Heil.
Möge diese Fastenzeit für uns alle eine Zeit der Gnade, der Erneuerung und der wahren Rückkehr zu Gott sein. Wie der Prophet Joel sagt: „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider, kehrt um zum Herrn, euren Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte“ (Joel 2,13).
Heute ist der Tag der Umkehr. Heute ist die Zeit, an das Evangelium zu glauben und es zu leben. Zögern wir nicht länger!