In Persona Christi Capitis: Das Antlitz Christi in jedem Priester

Einleitung: Wer wagt es, im Namen Christi zu sprechen?

Hast du dich jemals gefragt, was wirklich geschieht, wenn der Priester sagt: „Das ist mein Leib“? Wer ist dieses „mein“? Ist er nicht ein Mensch wie du und ich? Und doch erklärt die Kirche mit feierlichem Nachdruck, dass in diesem Moment nicht er spricht, sondern Christus selbst. Das ist das Geheimnis von In persona Christi Capitis, ein tiefes theologisches Konzept, das eine der erhabensten – und zugleich am meisten übersehenen – Wahrheiten unseres Glaubens offenbart: Der Priester handelt bei sakramentalen Handlungen in der Person Christi, des Hauptes.

Gerade heute, in Zeiten des Glaubensverlusts, von Missbräuchen und moralischem sowie geistlichem Relativismus, müssen wir dieses Geheimnis neu entdecken, verstehen, warum es für unser christliches Leben unverzichtbar ist und wie es sowohl Priester als auch Laien betrifft. Denn wenn der Priester im Namen Christi des Hauptes handelt, dann ist der Altar der Kalvarienberg, die Messe das Kreuzesopfer, und der Beichtstuhl das Gericht der göttlichen Barmherzigkeit.


I. Was bedeutet In persona Christi Capitis?

Der vollständige lateinische Ausdruck „In persona Christi Capitis“ bedeutet wörtlich „in der Person Christi, des Hauptes“. Es handelt sich hierbei nicht um eine Metapher oder symbolische Sprache, sondern um eine ontologische und sakramentale Aussage: Durch das Sakrament der Weihe wird der Priester so sehr mit Christus verbunden, dass er in dessen Namen und mit dessen Autorität handelt – vor allem bei der Feier der Sakramente.

Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt das unmissverständlich:

„Im kirchlichen Dienst des geweihten Amtsträgers ist es Christus selbst, der in seiner Kirche gegenwärtig ist als Haupt seines Leibes, Hirte seiner Herde, Hoherpriester des erlösenden Opfers, Lehrer der Wahrheit. Dies drückt die Kirche aus, wenn sie sagt, dass der Priester in persona Christi Capitis handelt – in der Person Christi, des Hauptes.“ (KKK, Nr. 1548)

Diese Handlung ist nicht delegiert, wie die eines Botschafters für einen König. Sie geht tiefer: Es ist Christus selbst, der durch den Priester handelt und sein Erlösungswerk gegenwärtig macht.


II. Biblische Grundlage

Christus selbst hat dieses Geheimnis beim Letzten Abendmahl eingesetzt. Er nahm das Brot und den Wein und sagte:

„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19).

Mit diesen Worten gab Er den Aposteln die Vollmacht, seine erlösende Tat sakramental zu wiederholen, nicht nur als Erinnerung, sondern als wahre Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers.

Der heilige Paulus fügt in seinem ersten Brief an die Korinther eine tiefere Dimension hinzu:

„Dafür halte man uns: für Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1).

Das griechische Wort oikonomoi – Verwalter – bedeutet, dass die Apostel und ihre Nachfolger nicht Besitzer, sondern lebendige Werkzeuge von Christi Wirken in der Kirche sind.


III. Historische Entwicklung des Begriffs

Schon in den ersten Jahrhunderten erkannte die Kirche, dass der Priester nicht bloß ein Gemeindeleiter ist. Der heilige Ignatius von Antiochien schrieb bereits im 1. Jahrhundert:

„Wo der Bischof ist, da ist die Gemeinde – wie da, wo Christus Jesus ist, da ist die katholische Kirche.“

Die Kirchenväter, insbesondere der heilige Johannes Chrysostomus und der heilige Ambrosius, betonten, dass der Priester nicht aus sich selbst handelt, sondern durch Christus. Im Mittelalter formulierte der heilige Thomas von Aquin diese Lehre präzise in seiner Summa Theologiae:

„Der Priester handelt bei der Wandlung der Eucharistie in der Person Christi, weil er nicht sagt: ‚Dies ist der Leib Christi‘, sondern ‚Dies ist mein Leib‘“ (S. Th., III, q. 82, a. 1).

Beim Konzil von Trient wurde diese Lehre gegen die protestantischen Irrtümer, welche das sakramentale Priestertum und das Opfer der Messe leugneten, bekräftigt. Und beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurde sie mit neuer pastoraler Tiefe bestätigt:

„Die Priester, aus den Menschen genommen, werden durch das Sakrament der Weihe für den Dienst des Evangeliums geweiht, um die Gläubigen zu weiden und den göttlichen Kult zu feiern. Sie handeln in der Person Christi, des Hauptes“ (Presbyterorum Ordinis, 2).


IV. Theologische Tragweite: Christus, Haupt und Bräutigam der Kirche

Die Formel „Christus Caput Ecclesiae“ – Christus, das Haupt der Kirche – hat eine tiefgreifende theologische Bedeutung. Der heilige Paulus sagt:

„Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol 1,18).

Das bedeutet: Christus ist nicht vom Leib getrennt, sondern Er durchdringt ihn mit Leben, führt ihn und lenkt ihn. Wenn der Priester in persona Christi Capitis handelt, repräsentiert er Christus in seiner Funktion als Haupt, Hirte und Bräutigam der Kirche.

Er repräsentiert Christus nicht nur als historische Figur, sondern den verherrlichten, lebendigen Christus, den ewigen Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks (vgl. Hebr 7,17). Darum ist die Messe keine symbolische Darstellung, sondern die sakramentale Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers. Der Altar ist der Kalvarienberg. Der Priester ist in diesem Moment Christus selbst, der seinen Leib und sein Blut dem Vater für unser Heil darbringt.


V. Pastorale und geistliche Anwendungen

1. Für die gläubigen Laien

Zu verstehen, dass der Priester in persona Christi Capitis handelt, sollte unsere Art, die Messe zu feiern, die Sakramente zu empfangen und unsere Hirten zu betrachten, grundlegend verändern. Es geht nicht darum, den Priester zu vergötzen, sondern das Geheimnis Christi zu erkennen, das durch ihn wirkt – selbst wenn er schwach und sündig ist.

„Es ist nicht der Priester, der vergibt, es ist Christus, der durch ihn vergibt. Es ist nicht der Priester, der konsekriert, es ist Christus, der durch seine Lippen konsekriert.“

Wenn du beichtest, ist es Christus, der dich hört. Wenn du losgesprochen wirst, ist es sein Blut, das dich reinigt. Wenn du die Kommunion empfängst, ist Er es, der dich nährt – nicht, weil der Priester Zauberkräfte hätte, sondern weil er durch das Weihesakrament Christus gleichgestaltet wurde, um Ihn gegenwärtig zu machen.

2. Für die Priester

Diese Wahrheit muss eine Quelle des heiligen Zitterns und des Trostes sein. Zittern, weil sie das Gewicht des Leibes Christi tragen. Trost, weil sie nicht allein sind: Christus wirkt durch sie. Sie sind keine bloßen Verwalter, sondern lebendige Werkzeuge der Erlösung.

Deshalb darf ein Priester die Liturgie nicht banalisieren, nicht am Altar improvisieren, nicht den Dienst trivialisieren. Alter Christus zu sein – ein anderer Christus – ist Ehre und Bürde zugleich. Deshalb ruft die Kirche ihre Priester ständig zur Heiligkeit.


VI. Ein Aufruf, das Heilige neu zu entdecken

Wir leben in einer Zeit, in der alles relativiert wird: das Priestertum, die Messe, die Sakramente. Doch Christus ändert sich nicht. Die Kirche braucht Männer, die bereit sind, sich selbst zu sterben, um Christus für die anderen zu sein.

Das tiefe Verständnis von in persona Christi Capitis führt uns auch zur Wiederentdeckung der Heiligkeit des Priestertums, zur Zentralität der Eucharistie und zur Notwendigkeit eines tiefen geistlichen Lebens – sowohl bei Klerikern als auch bei Laien.


VII. Und du? Was tust du mit diesem Schatz?

Wenn du Laie bist, schätze und bete für deine Priester. Erwarte keine Perfektion, aber verlange Heiligkeit. Gehe mit den Augen des Glaubens zur Messe: Dort wird der Kalvarienberg erneuert, dort gibt Christus sich dir hin. Wenn du jung bist und die Berufung zum Priestertum verspürst, habe keine Angst: Christus nimmt dir nichts – Er gibt dir alles.

Wenn du Priester bist, vergiss nie, dass du Träger eines Feuers bist, das dir nicht gehört. In jeder liturgischen Handlung, in jedem Wort, in jedem Sakrament bist du dazu berufen, den einen ewigen Hohenpriester sichtbar zu machen.


Schluss: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“

Das Geheimnis von in persona Christi Capitis ist ein Tor zum Übernatürlichen. Es erinnert uns daran, dass Christus in der Kirche lebendig, wirksam und nahe ist. In jeder Messe blickt Er uns vom Altar aus an. In jeder Beichte umarmt Er uns mit Seiner Barmherzigkeit. In jedem treuen Priester führt Er uns mit Seinem Licht und Seiner Liebe.

„Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

Möge diese Wahrheit uns verwandeln. Möge sie uns mit mehr Glauben knien lassen, mit mehr Liebe kommunizieren lassen und mit mehr Hoffnung leben lassen. Denn Christus hat uns nicht als Waisen zurückgelassen. Er hat uns seine Priester gegeben, um weiterhin unser Guter Hirt mitten in der Welt zu sein.

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Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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