Ite, missa est: Die Mission, die am Ende der Messe beginnt

Entdecke, warum diese drei lateinischen Worte der Schlüssel zu deinem christlichen Leben heute sind


Einleitung: Drei Worte, die kein Ende, sondern einen Anfang markieren

Du hast sie wahrscheinlich schon dutzende, vielleicht hunderte Male am Ende der Messe gehört, fast ohne darauf zu achten. Sie klingen feierlich, alt, geheimnisvoll: Ite, missa est. Viele Gläubige haben sie auf einen einfachen Abschiedsgruß reduziert, etwa wie ein „Amen“, das die Feier abschließt. Aber in Wirklichkeit fassen diese Worte — so kurz wie kraftvoll — Jahrhunderte von Tradition, eine tiefe Theologie der Sendung und einen dringenden Aufruf zusammen, das Evangelium in der heutigen Welt zu leben.

Dieser Artikel lädt dich ein, innezuhalten, zu betrachten und neu zu entdecken, was Ite, missa est wirklich bedeutet. Denn wenn wir diese Worte wirklich verstehen, verändert sich unsere Art, den Glauben zu leben. Sie zu verstehen heißt, die Messe zu verstehen. Und die Messe zu verstehen heißt, dein Leben zu verstehen.


I. Geschichte: Von der alten Liturgie zum gelebten Alltag

1. Was bedeutet „Ite, missa est“?

Die Phrase Ite, missa est wird üblicherweise mit „Geht hin in Frieden“ oder „Die Messe ist zu Ende“ übersetzt. Doch das ist eine schwache und unvollständige Übersetzung. Etymologisch stammt missa vom lateinischen Verb mittere, das „senden“ bedeutet. Eine genauere und tiefere Übersetzung wäre also: „Geht, ihr seid gesendet.“

Schon in den ersten Jahrhunderten des Christentums markierte diese Formel nicht nur den Abschluss des eucharistischen Opfers, sondern die Sendung des christlichen Lebens in die Welt hinaus. Das Gottesvolk, genährt durch das Wort und die Eucharistie, wird nicht einfach entlassen, sondern mit einer Mission ausgesendet: die Welt mit dem Licht Christi zu verwandeln.

2. Der traditionelle liturgische Gebrauch

In der tridentinischen Messe (außerordentliche Form des römischen Ritus) bleibt Ite, missa est die Entlassungsformel. Interessanterweise ist sie eine der ältesten Formeln im Messbuch, obwohl sie am Ende steht. Ihr Gebrauch ist bereits im 4. Jahrhundert belegt, zu einer Zeit, als die Kirche die Liturgie nicht als isoliertes Ereignis, sondern als Zentrum des christlichen Lebens verstand.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Ausdruck nicht abgeschafft, sondern vielmehr bestätigt und vertieft. Die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch erklärt, dass der Entlassungsruf nicht bloß ein Schlusswort, sondern „eine Ermahnung ist, dass die Gläubigen das leben sollen, was sie gefeiert haben.“ Papst Benedikt XVI. erklärte sogar, dass von dieser Formel das Wort „Messe“ selbst abgeleitet sei:

„Das Wort missa hat sich im Lauf der Zeit als Eigenname für die gesamte liturgische Handlung durchgesetzt, weil die Mission am Ende der Feier beginnt.“
(Sacramentum Caritatis, Nr. 51)


II. Tiefe Theologie: Die Messe endet nicht — sie setzt sich fort

1. Liturgie und Mission, eine untrennbare Einheit

Ein häufiger Irrtum besteht darin, die Liturgie als Klammer im Leben zu betrachten, als etwas „Geistliches“, das mit dem Alltag wenig zu tun hat. Doch die christliche Sicht ist das genaue Gegenteil: Die Messe ist das Herz, das das Blut in den restlichen Körper pumpt.

Jede Teilnahme an der Messe schenkt dir eine doppelte Gnade:

  • Die heiligmachende Gnade Gottes, die dich tiefer mit Christus verbindet.
  • Die missionarische Gnade der Sendung, die dich als Zeuge in die Welt hinausschickt.

Der heilige Paulus bringt es kraftvoll auf den Punkt:

„Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Korinther 5,14).

Es genügt nicht, Christus in der Kommunion zu empfangen. Wir müssen selbst Christus werden für die anderen. Und das ist nur möglich, wenn wir den Ruf des Ite, missa est annehmen.

2. Christus, der erste „Gesandte“

Jesus selbst war der „Gesandte“ des Vaters:

„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Johannes 20,21).

Die Messe ist Teilhabe an dieser Sendung. Am Ende kehren wir nicht einfach in den „normalen“ Alltag zurück, sondern wir werden zu anderen Christussen, die in die Welt gesandt sind. Wir sind keine bloßen Teilnehmer mehr: wir sind Zeugen des Auferstandenen, Missionare in unseren Familien, an unseren Arbeitsplätzen, in unseren Stadtvierteln und Umfeldern.


III. Pastorale Perspektive: Wie können wir das heute leben?

1. Die Messe ist keine Pflicht — sie ist ein Training

Viele Katholiken erleben die Messe noch immer als „sonntägliche Pflicht“. Sie kommen gehetzt, sind leicht abgelenkt und warten auf den Entlassungsruf wie auf den Schulgong. Doch wenn wir Ite, missa est als missionarischen Auftrag verstehen, ändert sich alles.

Die Messe ist das Operationszentrum des christlichen Lebens. Dort empfangen wir die Kraft, die Richtung, die Nahrung und die Gemeinschaft, die wir brauchen, um in einer verletzten Welt zu leben.

Frage dich: Wie verlasse ich die Messe? Motiviert? Verwandelt? Oder einfach nur erleichtert, dass ich es „hinter mir habe“?

2. Konkrete Anwendungen des „Ite“ im Alltag

  • In deiner Familie: Bringe Frieden, Vergebung, konkrete Liebe. Mach dein Zuhause zu einer Verlängerung der Messe.
  • In deiner Arbeit: Sei gerecht, ehrlich, großzügig. Gib Zeugnis nicht durch Worte, sondern durch deine Haltung.
  • In deiner Pfarrei: Sei kein bloßer Zuschauer. Engagiere dich, arbeite mit, evangelisiere durch dein Beispiel.
  • In der Welt: Sei Licht in der Dunkelheit. Und denk daran: Du bist nicht allein. Die ganze Kirche geht mit dir.

IV. Die aktuelle Herausforderung: Christ sein – rund um die Uhr

Wir leben in Zeiten, in denen der Glaube nicht mehr selbstverständlich oder bequem ist. Heute Katholik zu sein, erfordert Mut, Bildung und Glaubwürdigkeit. Deshalb ist die Botschaft von Ite, missa est heute aktueller denn je.

Wir dürfen uns nicht in Sakristeien einschließen oder die Liturgie als Zuflucht nutzen. Wir müssen hinausgehen, wie Maria nach der Verkündigung durch den Engel, um Christus „eilig“ (vgl. Lukas 1,39) zu denen zu bringen, die ihn brauchen.

Papst Franziskus hat das mit Nachdruck formuliert:

„Ich träume von einer missionarischen Kirche, die sich nicht mit sich selbst beschäftigt… Ich ziehe eine Kirche vor, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, einer Kirche vor, die krank ist vor Verschlossenheit und Bequemlichkeit.“
(Evangelii Gaudium, Nr. 49)


V. Fazit: Ein Abschied, der ein Anfang ist

Wenn du das nächste Mal Ite, missa est hörst, denk nicht, dass die Messe zu Ende ist. Im Gegenteil: Alles beginnt jetzt. Diese drei Worte senden dich aus, weihen dich, treiben dich an. Sie sind das Echo der Worte Christi, die im ganzen Evangelium klingen: „Geht!“

„Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Markus 16,15)

Mach dein Leben zu einer Verlängerung der Messe. Lass deine Worte, deine Gesten, deine Entscheidungen und deine Liebe eine lebendige Predigt sein. Denn die Welt braucht Zeugen. Und du, von Gott gesandt, kannst einer davon sein.


Abschließendes Gebet

Herr Jesus,
du bist in jeder Messe gegenwärtig,
um mich mit deinem Leib und deinem Wort zu nähren.
Hilf mir, jede Feier mit brennendem Herzen
und entschlossenen Schritten zu verlassen.
Lass mich verstehen, dass Ite, missa est
ein Ruf ist, mein Umfeld zu verwandeln,
Licht in der Dunkelheit zu sein,
Salz inmitten der Welt.
Lass mich nicht auf der Bank sitzen bleiben,
sondern hinausgehen, um dich mit meinem Leben zu verkünden.
Amen.


Und du? Gehst du zur Messe… oder gehst du von der Messe?

Ite, missa est ist der Funke, der das Zeugnis entzündet.
Lösch ihn nicht aus. Lass ihn brennen. Und erleuchte die Welt.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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