Warum hat die Kirche die Jesuiten ausgewiesen? Geschichte, Theologie und aktuelle Bedeutung

Einleitung: Ein kontroverses Kapitel der Kirchengeschichte

Die Vertreibung der Jesuiten im 18. Jahrhundert gehört zu den dramatischsten und komplexesten Ereignissen der katholischen Kirchengeschichte. Wie konnte es geschehen, dass ein so einflussreicher Orden, 1540 von Ignatius von Loyola gegründet und von Papst Paul III. bestätigt, wenige Jahrzehnte später vom Papsttum selbst aufgehoben wurde? Welche geistlichen und theologischen Lehren können wir heute daraus ziehen?

In diesem Artikel untersuchen wir die historischen, politischen und theologischen Gründe für diese Entscheidung, ihre Auswirkungen auf die Kirche und die spätere Wiedereinsetzung der Jesuiten. Zudem reflektieren wir, was dieses Ereignis uns über Gehorsam, Reform und Vertrauen in die göttliche Vorsehung lehrt.


1. Historischer Kontext: Warum wurden die Jesuiten vertrieben?

A. Politische Spannungen mit europäischen Monarchien

Mitte des 18. Jahrhunderts war der Jesuitenorden zu einer der mächtigsten Institutionen der Kirche geworden. Die Jesuiten erzogen Könige, missionierten in Asien und Amerika und waren geistliche Berater der Eliten. Doch ihr Einfluss erregte Neid und Argwohn bei den absolutistischen Monarchien Europas, besonders in Portugal, Spanien und Frankreich.

  • Portugal (1759): Der Marquis von Pombal beschuldigte die Jesuiten, sich in Politik einzumischen und ein angebliches Attentat auf König Joseph I. geplant zu haben. Sie wurden ausgewiesen und ihr Besitz beschlagnahmt.
  • Frankreich (1764): Unter Druck der Aufklärer und des Hofes Ludwigs XV. wurden die Jesuiten des Reichtums und „übermäßiger Macht“ bezichtigt.
  • Spanien (1767): Karl III., beeinflusst vom Staatskirchentum, vertrieb sie unter dem Vorwand des „Ungehorsams“ gegenüber der Krone.

B. Die päpstliche Aufhebung (1773): Clemens XIV. und die Bulle „Dominus ac Redemptor“

Auf Druck katholischer Mächte hob Papst Clemens XIV. 1773 mit der Bulle „Dominus ac Redemptor“ den Jesuitenorden offiziell auf. Obwohl das Dokument die Jesuiten nicht doktrinär verurteilte, begründete es die Aufhebung als notwendig, „um den Frieden in der Kirche wiederherzustellen“.

War diese Entscheidung gerecht? Viele Historiker und Theologen sehen darin eher einen politischen als spirituellen Akt – die Kirche gab in einer Phase der Schwäche gegenüber den Staaten nach.


2. Theologische Bedeutung: Was lehrt uns dieses Ereignis?

A. Die Kirche zwischen Weltlichem und Geistlichem

Jesus sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36). Die Vertreibung der Jesuiten warnt uns davor, die Kirche in weltliche Interessen zu verstricken. Wenn Staaten das Geistliche dominieren wollen, leidet der Evangelisationsauftrag.

B. Gehorsam in Prüfungszeiten

Trotz des Unrechts akzeptierten die Jesuiten die Aufhebung gehorsam. Der Kirchenlehrer Alfons von Liguori schrieb: „Gott lässt solche Prüfungen zu, um seine Diener zu läutern.“ Dies lehrt uns, selbst bei Unverständnis auf Gottes Willen zu vertrauen.

C. Die Widerstandskraft des Glaubens

Der Orden verschwand nicht. In Russland, wo Zarin Katharina die Große das päpstliche Dekret ignorierte, wirkten die Jesuiten weiter. Dies zeigt: Gottes Vorsehung wirkt selbst in größten Krisen.


3. Die Wiedereinsetzung der Jesuiten (1814)

Wie lange dauerte die Unterdrückung?

Sie währte 41 Jahre. 1814 stellte Papst Pius VII. den Orden durch die Bulle „Sollicitudo omnium ecclesiarum“ wieder her, da er den Fehler erkannte und die Jesuiten im Kampf gegen Säkularismus und Französische Revolution benötigte.

Warum wurden sie wieder zugelassen?

  • Wegen ihrer Treue zum Papsttum während der Krise
  • Wegen ihrer Bildungs- und Missionsarbeit, die für die kirchliche Erneuerung unverzichtbar war
  • Weil die Kirche erkannte, dass die Aufhebung mehr politisch als geistlich motiviert war

4. Lehren für heute: Wie können wir das anwenden?

A. Verfolgungen nicht fürchten

Wie die Jesuiten erleben Katholiken heute Anfeindungen. Doch „alles dient zum Guten denen, die Gott lieben“ (Römer 8,28).

B. Gehorsam und Kirchenvertrauen

Auch wenn wir manche kirchlichen Entscheidungen nicht verstehen – Christus führt seine Kirche.

C. Den Glauben klug und mutig verteidigen

Die Jesuiten waren große Intellektuelle und Glaubensboten. Heute sind wir berufen, uns zu bilden und das Evangelium kühn zu verkünden.


Schluss: Ein Kapitel, das zu Glauben und Standhaftigkeit aufruft

Vertreibung und Rückkehr der Jesuiten lehren: Obwohl aus fehlbaren Menschen bestehend, wird die Kirche vom Heiligen Geist geführt. In einer glaubenskritischen Welt ermutigt ihre Geschichte uns, auszuharren, zu vertrauen und für Gottes Reich zu arbeiten, wissend: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Matthäus 16,18).

Und Sie? Wie leben Sie Ihren Glauben in Widrigkeiten? Vertrauen Sie, dass Gott einen Plan hat, auch wenn Sie ihn nicht verstehen? Die Jesuiten-Geschichte lädt uns ein zu glauben: Nach dem Kreuz kommt stets die Auferstehung.

„Gesegnet der Mensch, der auf den Herrn vertraut“ (Jeremia 17,7).

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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