Wenn wir über die Rolle der Jungfrau Maria in der Erlösung sprechen, stoßen wir auf ein Thema von großer theologischer Tiefe und Hingabe. Die katholische Kirche hat ihre einzigartige Rolle in der Heilsgeschichte immer anerkannt, aber die Frage stellt sich oft: Ist Maria „Mit-Erlöserin“ (Co-Redemptrix) mit Christus, oder ist sie einfach eine „Miterlöserin“ in einem begrenzteren Sinn?
Dieser Artikel soll diese Frage mit theologischer Strenge untersuchen und gleichzeitig eine spirituelle Orientierung bieten, um zu verstehen, wie das Beispiel Mariens uns in unserem christlichen Leben inspirieren kann.
1. Maria in Gottes Plan: Zur Erlösung vorherbestimmt
Seit der Verkündigung des Engels Gabriel wurde Maria für eine zentrale Rolle im Erlösungsgeheimnis auserwählt. Als der Engel ihr verkündet:
„Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lukas 1,28),
wird offenbart, dass Gott ihre Seele für eine einzigartige Mission vorbereitet hat: die Mutter des Erlösers zu sein. Ihr „Ja“ zur Menschwerdung war nicht nur ein passives Einverständnis, sondern eine völlige Hingabe an den göttlichen Willen – ein Akt der Mitwirkung an der Erlösung der Welt.
Der heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort drückt dies in seinem „Traktat über die wahre Andacht zur Heiligsten Jungfrau“ deutlich aus, indem er betont, dass Gott durch Maria in die Welt kommen wollte und dass Er ebenso will, dass wir durch sie zu Ihm gelangen.
2. Was bedeutet „Miterlöserin“?
Der Begriff „Miterlöserin“ setzt sich aus dem Präfix „Mit-“ (co-) und „Erlöserin“ zusammen, was sich auf das Erlösungswerk bezieht. Das Wort bedeutet nicht Gleichheit mit Christus, sondern eine einzigartige und untergeordnete Teilnahme an seinem Erlösungswerk.
Papst Johannes Paul II. hat diesen Begriff mehrfach verwendet und betont, dass Maria durch ihr Leiden an der Seite Christi am Kreuz auf besondere Weise an der Erlösung mitgewirkt hat. In der Enzyklika „Salvifici Doloris“ (1984) erklärt der Papst, dass Maria „durch ihr mütterliches Leiden in einzigartiger Weise an der Erlösung der Menschheit teilhatte“.
Bedeutet das, dass Maria „Mit-Erlöserin“ auf gleicher Stufe mit Christus ist?
Nein. Christus ist der einzige Erlöser, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1 Timotheus 2,5). Doch so wie der heilige Paulus sagt:
„Was an den Leiden Christi noch fehlt, das ergänze ich in meinem irdischen Leben für seinen Leib, die Kirche“ (Kolosser 1,24),
können auch Christen am Erlösungswerk teilhaben. Maria tat dies auf höchste Weise.
3. Warum lehnen einige den Titel „Mit-Erlöserin“ ab?
Trotz der Unterstützung vieler Heiliger und Theologen hat die Kirche das Dogma der „Miterlösung“ nicht offiziell verkündet. Warum?
- Furcht vor theologischer Verwirrung: Die Kirche war stets vorsichtig bei der Formulierung der Beziehung zwischen Maria und Christus, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Ökumenischer Dialog: Im Dialog mit Protestanten könnte der Titel „Mit-Erlöserin“ missverstanden werden, als ob Maria eine eigenständige Erlöserin wäre, getrennt von Christus.
Papst Franziskus hat die Verwendung dieses Begriffs vermieden und betont, dass Maria „Mutter ist, keine Göttin und keine Mit-Erlöserin“. Dennoch fördert er weiterhin ihre Rolle als Mittlerin und Fürsprecherin.
4. Praktische Anwendung: Wie können wir das Beispiel Mariens leben?
Während die Debatte über ihren Titel andauert, ist das Wichtigste für die Gläubigen, zu verstehen, wie wir Maria in unserem geistlichen Leben nachahmen können.
1. Völlige Hingabe an Gott
Maria ist das perfekte Vorbild für die Hingabe an den göttlichen Willen. Ihr „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lukas 1,38) lehrt uns, Gott auch in Zeiten der Unsicherheit zu vertrauen.
2. Teilnahme am Kreuz Christi
So wie Maria unter dem Kreuz stand (Johannes 19,25), sind auch wir berufen, unser eigenes Kreuz zu tragen und es für das Heil der Welt aufzuopfern.
3. Vermittlung im Leben anderer
Maria tritt für uns ein, so wie sie es bei der Hochzeit zu Kana tat (Johannes 2,1-11). Auch wir können Werkzeuge Gottes sein, um andere zu Christus zu führen.
Fazit: Maria, unsere Mutter und Miterlöserin in der Liebe
Unabhängig davon, ob die Kirche den Titel „Mit-Erlöserin“ verkündet oder nicht, ist sicher, dass Maria eine einzigartige Rolle in der Erlösung hatte und uns weiterhin zu Christus führt.
Mehr als nur eine theologische Debatte lädt ihr Beispiel uns ein, mit Glauben, Liebe und völliger Hingabe an Gott zu leben. In unserem täglichen Leben können wir ihre Demut und ihr Vertrauen in den Herrn nachahmen und so durch unsere Taten und Gebete Mitarbeiter an der Erlösung werden.
Maria, unsere Mutter, hilf uns, als wahre Jünger deines Sohnes zu leben. Amen.