Die „Engelmesse“: Die wenig bekannte Liturgie für ungeborene Kinder

In der unermesslichen Fülle der katholischen Tradition gibt es Räume für Zärtlichkeit und Hoffnung, selbst in den schmerzlichsten Momenten. Die „Engelmesse“ ist ein solcher liturgischer Schatz, der das barmherzige Herz Gottes, seine Aufmerksamkeit für menschliches Leid und seine Verheißung des ewigen Lebens widerspiegelt. Diese besondere Messe, die ungeborenen Kindern gewidmet ist, ist vielen unbekannt, birgt jedoch eine tiefe theologische und pastorale Bedeutung. In diesem Artikel erforschen wir ihren Ursprung, ihre Bedeutung und wie sie eine Quelle geistlicher Heilung im Kontext unseres täglichen Lebens sein kann.


Was ist die „Engelmesse“?

Die „Engelmesse“ ist eine besondere Eucharistiefeier, die im Gedenken an Kinder gehalten wird, die vor oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Ihr Name leitet sich von einer alten Andacht ab, die verstorbene Kinder in ihrer Unschuld mit den Engeln im Himmel in Verbindung bringt und damit an die Verheißung Jesu erinnert:

„Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14).

Diese Messe ist ein liturgischer Ausdruck der christlichen Hoffnung, eine Erinnerung daran, dass das Leben nicht mit dem Tod endet und dass Gott uns selbst im Schmerz des Verlustes einlädt, seinem ewigen Liebesplan zu vertrauen.


Ursprung und Geschichte

Obwohl es keine genauen Aufzeichnungen darüber gibt, wann die „Engelmesse“ eingeführt wurde, liegen ihre Ursprünge in der alten Tradition des Gebets für die Verstorbenen und in der Theologie der Kirche über Taufe und Erlösung. Seit Jahrhunderten lehrt die Kirche, dass Gottes Barmherzigkeit auch auf Kinder ausgedehnt wird, die ohne Taufe sterben.

Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert uns daran:

„Die große Barmherzigkeit Gottes… erlaubt uns zu hoffen, dass es einen Weg des Heils für Kinder gibt, die ohne Taufe gestorben sind“ (KKK 1261).

In jüngerer Zeit, insbesondere nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, hat die Kirche pastorale Wege gesucht, um Eltern zu begleiten, die den Verlust eines ungeborenen Kindes erleben. Die „Engelmesse“ ist eine konkrete Antwort darauf und bietet Trost und Hoffnung innerhalb der christlichen Gemeinschaft.


Theologische Bedeutung: Gottes Barmherzigkeit und der Wert des Lebens

Die Theologie dieser Messe basiert auf zwei grundlegenden Säulen des katholischen Glaubens:

  1. Die Würde jedes menschlichen Lebens: Die Kirche lehrt, dass jedes Leben, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, unendlich wertvoll ist, weil es nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen wurde. Ungeborene Kinder, die nie außerhalb des Mutterleibs geatmet haben, sind ebenso von Gott geliebt und bekannt.
  2. Hoffnung auf die Auferstehung: Für Katholiken ist der Tod nicht das Ende, sondern ein Übergang zum ewigen Leben. Die „Engelmesse“ unterstreicht diese Wahrheit und verkündet, dass diese verstorbenen Kinder nicht verloren sind, sondern in Gottes Liebe geborgen.

Dieser liturgische Akt erinnert uns auch daran, auf die göttliche Vorsehung zu vertrauen. Auch wenn wir die Geheimnisse des Heils nicht vollständig verstehen, vertrauen wir auf die Liebe Gottes, die alle menschlichen Grenzen übersteigt.


Ein Ort für geistliche Heilung

Der Verlust eines Kindes – sei es durch eine Fehlgeburt, eine medizinisch bedingte Schwangerschaftsunterbrechung oder einen neonatalen Tod – hinterlässt tiefe Wunden. Oft stehen Eltern diesem Schmerz allein gegenüber, ohne einen klaren Ort, an dem sie ihre Trauer ausdrücken können. Die „Engelmesse“ bietet einen heiligen Raum, in dem diese Wunden vor Gott gebracht werden können, der fähig ist, Leid in Trost und Hoffnung zu verwandeln.

In der heutigen Zeit, in der viele Familien Schwangerschaftsverluste erleben, ist diese Messe auch eine konkrete pastorale Antwort. Die Kirche begleitet, urteilt nicht, und bietet die Möglichkeit zur Versöhnung und zum Frieden, insbesondere für diejenigen, die komplexe Situationen wie Abtreibung erlebt haben und nach geistlicher Heilung suchen.


Praktische Anwendungen: Hoffnung im Alltag leben

Wie können wir die Botschaft der „Engelmesse“ in unser tägliches Leben integrieren? Hier einige Vorschläge:

  1. Mit Mitgefühl begleiten: Wenn Sie jemanden kennen, der ein Kind verloren hat, bieten Sie Ihre Unterstützung und Ihr offenes Ohr an. Manchmal kann ein einfaches „Ich bin für dich da“ einen großen Unterschied machen.
  2. An diesen Feiern teilnehmen: Erkundigen Sie sich in Ihrer Pfarrei, ob diese Messe angeboten wird, oder schlagen Sie vor, sie einzuführen. Die Teilnahme in Gemeinschaft stärkt Hoffnung und Zusammenhalt im Leid.
  3. Erinnerungsrituale schaffen: Neben der Messe können Familien ihre ungeborenen Kinder ehren, indem sie Kerzen anzünden, einen Baum pflanzen oder einen besonderen Gebetsort zu Hause schaffen.
  4. Für trauernde Eltern beten: Erinnern Sie in Ihren täglichen Gebeten an Familien, die Verluste erlitten haben. Für sie zu beten, ist ein Akt der Liebe und Solidarität.
  5. Eine Kultur des Lebens fördern: Diese Liturgien erinnern uns an den inneren Wert jedes Lebens. Setzen wir uns immer für die Würde der Schwächsten ein, von den Ungeborenen bis hin zu den Alten und Kranken.

Eine Einladung, auf die ewige Liebe zu vertrauen

Die „Engelmesse“ erinnert uns daran, dass das letzte Wort immer der Liebe Gottes gehört. Für diejenigen, die ein Kind verloren haben, ist dieses Ritual ein greifbares Zeichen dafür, dass sie nicht allein sind, dass ihr Schmerz nicht unsichtbar ist und dass ihr kleines Kind in die liebenden Arme des himmlischen Vaters aufgenommen wurde.

In einer Welt, die oft vor dem Leid zurückschreckt und es verbirgt, ist diese Messe ein Zeugnis dafür, dass Schmerz in Hoffnung verwandelt werden kann, wenn wir ihn Gott anvertrauen. So ist die „Engelmesse“ nicht nur eine liturgische Feier, sondern eine Einladung, den Glauben mit Vertrauen zu leben, in der Gewissheit, dass in Christus das Leben immer über den Tod triumphiert.


Wenn Sie den Verlust eines Kindes erleben oder jemanden kennen, der betroffen ist, zögern Sie nicht, sich an Ihre Pfarrgemeinde zu wenden. Die Kirche ist da, um Sie zu begleiten, mit ihrem Blick auf das Kreuz und die Auferstehung gerichtet, die uns versichern, dass uns im Himmel die ewige Umarmung der kleinen Engel erwartet, die bereits in der Gegenwart Gottes sind.

Über catholicus

Pater noster, qui es in cælis: sanc­ti­ficétur nomen tuum; advéniat regnum tuum; fiat volúntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidiánum da nobis hódie; et dimítte nobis débita nostra, sicut et nos dimíttimus debitóribus nostris; et ne nos indúcas in ten­ta­tiónem; sed líbera nos a malo. Amen.

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